Arbeitszeitverkürzung gerade jetzt!

Der Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit wird seit dem 19. Jahrhundert geführt. Dabei wurden immer wieder andere Argumente in den Vordergrund gestellt, die für kürzere Arbeitszeiten sprechen. Die Gesundheit der Arbeitenden zu erhalten und die vorhandene Erwerbsarbeit auf mehr Personen aufzuteilen, stand meist ganz oben auf der Liste.

von Jörg Flecker, Professor für Allgemeine Soziologie am Institut für Soziologie der Universität Wien

Beides ist auch heute höchst aktuell. Angesichts des gestiegenen Arbeitsdrucks und der viel intensiveren Arbeit sind der Acht-Stunden-Tag und die gesetzliche 40-StundenWoche in vielen Berufen kein ausreichender Schutz für die Arbeitenden mehr. Viele können es sich deshalb nicht vorstellen, ihren Job bis zur Pension auszuüben.

Arbeitszeit und Geschlechtergerechtigkeit

Wichtige weitere Argumente für die Verkürzung der Arbeitszeit sind in den letzten
Jahrzehnten stärker betont worden, wobei insbesondere die Geschlechtergerechtigkeit und die Klimakatastrophe zu nennen sind. Lange Arbeitszeiten für Männer tragen zur ungleichen Verteilung der Haus- und Sorgearbeit bei. Sie benachteiligen Frauen weiters durch die Notwendigkeit, in Teilzeit zu arbeiten, um Berufsarbeit und Familienpflichten vereinbaren zu können.

Eine kurze – und auch gesunde – Vollzeit für beide Partner:innen wäre eine Voraussetzung dafür, dass die Arbeitsteilung im Haushalt neu verhandelt werden kann. Ist es angesichts des materiellen Überflusses nicht absurd, dass jungen Eltern jahrelanger Stress aufgebürdet wird, obwohl die Gesellschaft keineswegs jede Arbeitsstunde so dringend benötigt? Freilich braucht es eine begleitende Lohn und Preispolitik, die sicherstellt, dass alle von einer kurzen Vollzeitarbeit auch gut leben können.

Arbeitszeit und sozial-ökologische Transformation

Was das Klima betrifft, geht es buchstäblich ums Überleben. Eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit kann Teil der notwendigen sozial-ökologischen Transformation sein. Damit wird die Hoffnung verbunden, dass weniger produziert und konsumiert wird.

Die Arbeitszeitverkürzung ist auch wichtig, weil ein ökologisch bewusstes Leben mehr Zeit braucht: Sachen reparieren anstatt neue zu kaufen, zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren, statt mit dem Auto, selbst zu kochen, statt Fertigmenüs zu kaufen etc. Freilich braucht es dazu ein entsprechendes Bewusstsein. Wenn die gewonnene Freizeit für Städteflüge verwendet wird, ist das klarerweise kontraproduktiv.

Arbeitszeit und Kollektivverträge

Die Arbeitszeit muss nicht für alle gleichermaßen verkürzt werden. Schon jetzt gelten je nach Kollektivvertrag unterschiedliche Regelungen. So schadet die körperlich und psychisch stark belastende Arbeit der Gesundheit weniger, wenn die Arbeitszeit kürzer und die Erholungszeit länger ist. Zum Beispiel ist es besonders wichtig, es den Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen zu ermöglichen, länger gesund im Beruf zu bleiben. Denn der aktuelle Personalmangel verschärft die Belastungssituationen.

Derzeit bleibt vielen hier wie in anderen Berufen nichts anderes übrig, als in Teilzeit zu gehen, um den Job noch zu bewältigen. Dafür nehmen sie viele Nachteile in Kauf – und müssen sich auch noch von Politiker:innen beschimpfen lassen. Das ist keine nachhaltige Lösung des Problems. Eine kurze und gesunde Vollzeit für alle wäre das sehr wohl.

Arbeitszeit und Wettbewerbsfähigkeit

Gegen die Arbeitszeitverkürzung wird ins Treffen geführt, sie sei zu teuer, schade der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gerade in einer schwierigen Zeit. Ja, die Kosten für Betriebe steigen, weil ja die Löhne trotz kürzerer Arbeitszeit nicht gesenkt werden sollten. International im Wettbewerb stehen aber insbesondere Industriebetriebe, die schon relativ kurze Arbeitszeiten haben und bei denen die Arbeitskosten einen kleineren Anteil ausmachen als in anderen Branchen.

Insgesamt war die Verkürzung der Arbeitszeit immer ein Hebel, um die Arbeitnehmer:innen stärker an dem von ihnen erarbeiteten Wohlstand teilhaben zu lassen. Dass sie die Unternehmen etwas kostet und sich daher die Verteilung zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen ändert, ist also kein Nachteil, sondern beabsichtigt. Nimmt man die verschiedenen Ziele, die mit einer Arbeitszeitverkürzung verfolgt werden, zusammen, wird klar, dass es gerade jetzt Zeit für neue (Arbeits-)Zeiten ist.

Dazu aus dem GLB-Programm

Obwohl die Produktivität in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gestiegen ist, wurde die Normalarbeitszeit seit 1975 nicht mehr flächendeckend gesenkt. Die Einführung der 40-Stunden-Woche liegt fünf Jahrzehnte zurück. Statt die Möglichkeiten, die uns der technische Fortschritt bietet, zu nutzen, hat das Pendel in den vergangenen Jahren in die gegenteilige Richtung ausgeschlagen. 2018 wurde durch ÖVP und FPÖ der Zwölf-Stunden-Arbeitstag und die Möglichkeit zur 60-Stunden-Woche wieder eingeführt.

Etwa 58 Prozent der Österreicher:innen wünschen sich eine Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichem Gehalt. Frauen übernehmen auch heute noch den Großteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit, infolgedessen arbeiten 47 Prozent der Frauen in Österreich in Teilzeit. Eine Arbeitszeitverkürzung würde helfen, die unbezahlte Arbeit gerechter zu verteilen und eine Aufwertung der Arbeit von Frauen bedeuten.

Der GLB fordert:

  • 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
  • Sechs Wochen Urlaub für alle.
  • Schluss mit prekärer Beschäftigung: Volle soziale Absicherung für alle Beschäftigungsverhältnisse!
  • Wohnortnahe Arbeitsplätze, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind. Nein zur zwangsweisen überregionalen Jobvermittlung durch das AMS.
  • Faire Aufteilung von unbezahlter Arbeit wie Haushaltsarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen.
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken.

Hier geht es zum vollständigen GLB-Programm: Gemeinsam für eine sozial gerechte Zukunft! – GLB

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