
Beim Zuverdienst zum Arbeitslosengeld streichen schafft Armut
Die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld ist in Österreich bereits sehr niedrig. Lohnarbeitslosigkeit hängt im internationalen Vergleich nicht mit der Höhe der Ersatzleistung zusammen, sondern hat wirtschaftliche, soziale und konjunkturelle Ursachen. Die neue Regierung will den Zuverdienst zum AMS-Geld weitgehend unmöglich machen.
Autor und Foto: Patrick Kaiser (AK-Rat und Vorsitzender des GLB Wien)
Arbeitslose mit Zuverdienst haben oft bereits vor der Arbeitslosigkeit ein geringeres Einkommen unter der Armutsgrenze oder zumindest in Armutsgefährdung. Vor allem Frauen und damit auch Alleinerziehende sind davon stark betroffen. Wer bereits jetzt nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze zum AMS-Geld dazuverdient, lebt oft prekär. Wenn man diesen Menschen auch noch die Möglichkeit des Zuverdienstes nimmt, stürzen sie in die Armut ab.
Durch Druck zur Lohnarbeit?
Eine SORA-Befragung aus 2021 zeigt, dass 97% der Arbeitslosen mit Zusatzjobs aktiv nach einer festen Anstellung suchen. Langzeitarbeitslose, die ein wenig dazuverdienen können, finden rascher wieder einen vollwertigen Job. Selbst WIFO-Experte Maringer wendet ein, dass die Möglichkeit geringfügig dazuzuverdienen bei einigen Gruppen wie Langzeitarbeitslosen dabei helfen kann, den Wiedereinstieg zu schaffen.
Knapp zehn Prozent der Arbeitslosen, davon die Hälfte Notstandshilfebezieher, verdienen geringfügig dazu. Das waren 2024 28.200 Menschen. Diese Zahl ist seit 2019 laut AMS sogar gesunken. Nur 82 Millionen Euro sollen durch diese asoziale Maßnahme 2025 eingespart werden, diese geringe Summe zeigt ihre ideologische Ausrichtung. Selbst die AMS-Tirol-Chefin Sabine Platzer-Werlberger meint: „Bestimmte Personen, die kaum eine Chance auf eine vollversicherte Beschäftigung haben, etwa wegen der Gesundheit, hohem Alter oder niedriger Qualifikation, würden sich schwertun.“
Falscher politischer Ansatz
Als der ehemalige Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher 2023 darauf drängte, bei Nebenbeschäftigungen zum AMS-Bezug genauer hinzuschauen, sprach SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch von einer Schikane und einem völlig falschen politischen Ansatz. Anstatt über bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu reden, werde versucht, Arbeitssuchende unter Druck zu setzen. Ähnlich argumentierte Arbeiterkammerchefin Renate Anderl: „Schikanen für Arbeitslose lösen keine Arbeitsmarktprobleme!“
Dazu kommt: Wer beim Zuverdienst zum Arbeitslosengeld streicht und kürzt, erhöht die Zahl der Betroffenen in der Sozialhilfe. Wesentlich sinnvoller ist es, ein besseres und höheres Arbeitslosengeld zu zahlen, denn das schützt uns alle! Außerdem ist es skandalös, dass Menschen heute noch unter 1.800 Euro netto für einen Vollzeitjob verdienen. Das kann niemals die Lebenserhaltungskosten decken. Die Diskussion muss sich vor allem um höhere Löhne drehen!
Eine ideologische Entscheidung
Die Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitslose in Österreich wirft grundlegende Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Solidarität und der Rechte von Arbeitnehmer:innen auf. Die Zuverdienstgrenze, die festlegt, wie viel Arbeitslose zusätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld verdienen dürfen, ist keine ökonomische Regelung, sondern ein Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse. In einer Gesellschaft, die sich zunehmend durch prekäre Arbeitsverhältnisse und unsichere Lebensbedingungen auszeichnet, ist es unerlässlich, dass Arbeitslose die Möglichkeit haben, durch zusätzliche Einkünfte ein halbwegs erträgliches Leben zu führen. Die neue Regelung bestraft oft diejenigen, die sich bemühen, ihre Situation zu verbessern, und führt dazu, dass viele Menschen in einem Teufelskreis der Armut gefangen bleiben.