Lesermeinung zur Teilzeitdebatte
Die Teilzeitarbeitskräfte kosten dem Staat jährlich Milliarden“. Diese Aussage kommt vom Unternehmer- und Wirtschafts-Think Tank „Agenda Austria“ und strotzt nur so vor Überheblichkeit und Gier nach billigen Arbeitskräften, die am besten rund um die Uhr für die Unternehmen zur Verfügung stehen sollen. Wie kann man sich anmaßen, über die Lebens- und Arbeitsplanung von Menschen zu bestimmen. Niemand kann einem vorschreiben, ob man 5 Std. die Woche oder 40 Std. die Woche bezahlt erwerbstätig ist. Leibeigenschaft ist erkämpfterweise abgeschafft.
Es hat sich im Laufe der kapitalistischen und neoliberalen Wirtschaftsordnung eingeschlichen, zu bestimmen, wie lange „Vollzeitarbeit“ zu sein hat und dass alle Menschen diesem Dogma zu entsprechen haben. Unterordnen, heißt die Devise der Herrschenden für Ihre Untertanen, die Arbeitskräfte. Aber dem Staat werden von den Unternehmen jährlich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe vorenthalten bzw. bleiben viele von ihnen, sie für immer schuldig. Allein das Großunternehmen KTM schuldet dem Finanzamt und der ÖGK 30 Mio. Euro (Stand 2024). Geld, das den Arbeitskräften vorher schon abgezogen wurde, egal ob „Teil- oder Vollzeit“.
Die Einrichtungen, die einen Staat ausmachen, wie Infrastruktur und Sozialleistungen, können auch mit sogenannten Teilzeitarbeitenden bestehen. Das Problem ist: Im Kapitalismus wird das Geld unweigerlich einseitig verteilt – die Gründe sind vielfältig. Von null oder sehr wenig Steuern auf Erbschaften, Körperschaften, Gewinne, aber auch horrend hohe Einkommen für ethisch fragliche „Dienstleistungen“, im Bereich der Immobillien, Versicherungs – und Bankenbranche, sowie Mehrfach-Posten in Vorständen, Aufsichtsräten und Co… die Liste ließe sich noch fortsetzen.
Der Aufschrei der Wirtschaftsseite in Richtung Staat, wie „Nehmt doch den Arbeitnehmer:innen nicht so hohe Steuern ab, dann werden sie schon Vollzeit arbeiten“, zeigt einmal mehr, dass sie sich selbst gar nicht als Problem sehen, die in vielen Branchen zu geringe Löhne bei Vollzeitarbeit zahlen. Die Löhne hinken aufgrund der herrschenden Regeln immer hinter den angehobenen Preisen hinterher. Aber dass Unternehmer ihre Preise erhöhen, auch wenn keine Lohnerhöhungen waren, kam gestern wieder gut zum Ausdruck. Als bekannt wurde, dass der nächste Eurovisions-Songcontest in Wien stattfinden wird, hat die Hotelbranche sofort die Preise angehoben – ohne Not und ohne Lohnerhöhung!!
Lasst die Menschen ihr Leben selbstbestimmt leben, sonst wird ja auch alles Mögliche auf das Individuum abgeschoben.
Ilse de Lorenzo
