Teilzeitarbeit: Nicht bestrafen, sondern Vollzeit durch Arbeitszeitverkürzung

“Mehr Vollzeit statt Teilzeit” fordert Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. Mit ihm Boot, die ÖVP, die NEOS, Industriellenvereinigung, Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer. Sie wollen künftig die “faulen sozialschmarotzenden Teilzeitbeschäftigten” bestrafen.

Insgesamt ist die Forderung nach Vollzeit statt Teilzeit berechtigt, nur der vorgeschlagene Lösungsansatz ist gänzlich falsch. Es braucht keine Bestrafung, sondern eine Neuverteilung der Arbeit durch eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit – natürlich bei vollem Lohnausgleich. 

Da jammern die die neoliberalen Wirtschafts”expert:innen” sofort darüber, dass die Kosten für den Faktor Arbeit schon jetzt viel zu hoch sind und eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich viele Betriebe in den Ruin treiben würde. Nur, laut einem aktuellen Bericht des Kreditschutzverbands KSV1870 sind die Firmenpleiten weder auf „zu hohe Löhne“ noch auf „zu viel Teilzeitarbeit“ zurückzuführen. Meist handelt es sich um operative und strategische Fehler oder persönliches Versagen des Managements. 

Die tatsächlichen Gründe der hohen Teilzeitquote, nämlich die strukturellen Bedingungen, werden von den Teilzeitanfeinder:innen wissentlich verschwiegen: Ein konservatives Weltbild in dem Frauen nur als Dazuverdienerinnen abgestempelt, bzw. die familiären Betreuungspflichten vorwiegend auf Frauen abgewälzt werden; sogenannte Frauenbranchen, in denen fast nur mehr Teilzeitjobs angeboten werden; Arbeitsbedingungen die aus Gesundheitsgründen in Vollzeit nicht mehr bewältigbar sind und ein Recht auf Selbstentscheidung über die Balance zwischen Leben und Arbeit.

Aber auch ein Blick auf das Gesamtarbeitsvolumen in Österreich zeigt die Berechtigung nach einer Neuverteilung der Normalarbeitszeit. Laut Statistik Austria liegt das österreichische Gesamtarbeitsvolumen bei 30 Wochenstunden pro Kopf. Nur ungleich verteilt: Einerseits, dass viele in Teilzeit und andere in Vollzeit oder gar mit Überstunden arbeiten müssen und andererseits durch die vorhin angeführten Gründe zwischen den Geschlechtern ungerecht verteilt sind. Bereits  jede zweite Frau arbeitet – oft nicht freiwillig – in Teilzeit. Bei den Männern ist es nur jeder Achte. 

Das bedeutet, dass es sich bei einer  gesetzlichen Normalarbeitszeit von 30-Wochenstunden um ein Nullsummenspiel bei der Anzahl der Köpfe und des vorhandenen Arbeitsvolumens handelt.Verändern würde sich allerdings, dass sich die Arbeitsbelastung der Einzelnen reduziert, sich ihre beruflich bedingten Krankenstandstage reduzieren und dass aus vielen Teilzeitkräfte zu Vollzeitbeschäftigten werden.

Ehrlicherweise erwähnt werden muss, dass sich dadurch das konservative Weltbild “mit der familiären Betreuungspflicht für Frauen” nicht verändert. Dafür braucht es mehr, wie gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, Lohntransparenz, massive Lohnerhöhungen in Branchen, in denen hauptsächlich Frauen* und Migrant:innen beschäftigt sind, das Schließen der Lohnlücke, u. a. durch die Pflicht für Betriebe und Verwaltungen, ihre Entgelt-Praxis regelmäßig zu überprüfen, sowie ein externes Prüfrecht für die Arbeiterkammer. Aber auch ein Gleichstellung-Check für alle politischen Vorhaben, damit sie den unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Frauen* und Männern gerecht werden und eine Umverteilung von Sorgearbeit und Stärkung von Partnerschaftlichkeit muss angedacht werden.

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