Wie krisenhaft ist die Weltwirtschaft?

Trumps Zollhammer gegenüber der ganzen Welt, gegenüber Freunden und weniger guten Freunden, hat, abgesehen von den unmittelbar einsetzenden Turbulenzen auf den Wertpapiermärkten, ein breites Spektrum von Vermutungen über mögliche und wahrscheinliche Folgen für den Welthandel, für die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Welt, in den Regionen und einzelnen Ländern, sowie für die USA selbst, hervorgerufen.

Autor: Michael Graber (Volkswirt und Obmann des Zentralverbandes der Pensionist:innen Österreichs (ZVPÖ)), Foto: unsplash

Die überwiegenden Einschätzungen von Kommentatoren in der veröffentlichten Meinung gehen davon aus, dass die Trump- Administration mit diesem Schritt den USA am meisten schaden werde und daher als irrational zu werten sei. Selbst wenn die vorgegebenen Ziele Trumps, die terms of trade (die Austauschverhältnisse im Außenhandel) zugunsten der USA zu verändern, teilweise gelingen sollten, sei der Schaden auf Grund der anziehenden Inflation in den USA, der höheren Kosten von importierten Vorprodukten und der mit der einsetzenden Unsicherheit geringeren Planungssicherheit größer als mögliche Arbeitsplatzgewinne in der US-Industrie. Das mag alles stimmen oder auch nicht, doch wie es wirklich weiter geht, weiß natürlich niemand, wahrscheinlich auch nicht die Trump-Regierung, da das ganze auch zum Spielball der US-Justiz geworden ist.

Neue Etappe des US-Imperialismus

Aber eine rein ökonomische Betrachtung der Trumpschen Zollpolitik greift sowieso zu kurz. Vielfach wird behauptet, die USA zögen sich nicht zuletzt mit dieser ökonomischen Politik aus vielen Feldern der Weltpolitik zurück. Ich meine, das Gegenteil ist der Fall. Wir stehen möglicherweise vor einer neuen Etappe der Entwicklung des US-Imperialismus. Das signalisieren nicht nur die aggressiven Ansprüche an Kanada, Mexiko, Panama und  Grönland. Einen Hinweis darauf geben die im Hintergrund agierenden Autoren der Trumpschen Politik. 

Am 9. April war in einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) zu lesen, was der Vorsitzende der wirtschaftlichen Berater der Trump-Administration zur eigentlichen Rationalität der Zollpolitik in einem Vortrag, den das Weiße Haus im Internet veröffentlichte, zu sagen hat. Der Mann heißt Stephen Miran und geht von der Prämisse aus, dass die USA seit dem Zweiten Weltkrieg zwei globale „öffentliche Güter“ der Welt zur Verfügung gestellt hätten: Einen „Sicherheitsschutzschirm“ und die Weltreserve- und Handelswährung Dollar. Um die militärische und finanzielle Dominanz der USA zu erhalten, müssten sich andere Länder an diesen Kosten beteiligen. 

Diese Länder hätten fünf Möglichkeiten dazu: Erstens, die Zölle akzeptieren ohne mit Gegenzöllen zu reagieren, zweitens, die für die USA „schädlichen Handelspraktiken“ zu beenden und mehr in den USA zu kaufen, drittens, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und mehr Kriegsgerät in den USA zu kaufen, viertens, mehr in den USA zu investieren, und fünftens, einfach einen Scheck an das US-Finanzministerium auszustellen. 

Das Ziel besteht ganz offensichtlich darin, der ganzen Welt einen Tribut aufzuerlegen, der die Vorherrschaft der USA in der Welt für die USA billiger macht – nicht die USA, sondern die Welt soll „Amerika great“ machen, bzw. erhalten. Dem dient das Drohpotential, das das Trump-Regime aufbaut. Bist du nicht willig, dann wird eben ökonomische und finanzielle Macht eingesetzt (militärische Mittel nicht ausgeschlossen). Eingebettet ist diese Politik in eine Orientierung auf die Konfrontation mit der VR China. Die neue Weltordnung nach der Vorstellung der Trump-Regierung lautet in Abwandlung der seinerzeitigen NATO-Doktrin im Kalten Krieg: keep Russia in, Europe down and China out. 

Ungleiches Nord-Süd-Gefälle

Zwei weitere Faktoren sind es, die die Unsicherheit und Krisenhaftigkeit in der Weltwirtschaft hervorrufen. Die Ungleichheit zwischen den Industrieländern des globalen Nordens und des Südens nimmt dramatisch zu. Ein Indiz dafür ist die Entwicklung der Schulden, die weltweit mit bereits 324 Billionen Dollar einen Höchststand und das Dreifache der Weltwirtschaftsleistung erreicht haben. Reiche Länder können ihre Schulden leichter refinanzieren, die ärmeren nicht, geraten in eine Schuldenfalle und erhöhen dadurch die Risken in der Weltwirtschaft. Aber auch für die USA wird die Fahnenstange immer dünner. Deren Schuldenstand beträgt 36 Billionen Dollar, also ein Zehntel der Weltverschuldung, und hat bereits zur Herabstufung des Ratings der Bonität der USA geführt. Die damit verbundenen höheren Zinsen sind ein weiterer Krisenfaktor. Denn der Schuldenstand der USA wird weiter steigen, wenn die Steuersenkungen der Trump-Regierung und die Ausweitung der Rüstungsausgaben durch weitere Verschuldung finanziert werden. Das ist möglicherweise auch ein Motiv für die aggressive Zollpolitik, die ja neue Einnahmen für den US-Haushalt auf Kosten der übrigen Welt bringen soll.

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