Bessere Arbeit, bessere Ausbildung

Patrick Kaiser über Pflegemangel in den Spitälern und Heimen

Kaum sind die katastrophalen Auswirkungen der Covid-Pandemie auf das Gesundheitswesen vorläufig halbwegs vorbei, das Klatschen verhallt, ein paar Corona-Boni ausbezahlt und die schon vorher prekären Alltagsbedingungen der Arbeitsverhältnisse in der Pflege wieder eingekehrt, wird von guten Bedingungen in der professionellen Pflege in Krankenanstalten und Pflegeheimen kaum mehr gesprochen.

Wirkliche Verbesserungen kündigen sich nicht an, während der „Pflegeexodus“ – also die Kündigungswelle in diesem Berufsbereich – erst anfängt. Der Mangel an Fachkräften wird sich noch mehr verstärken, auch durch politische Entscheidungen. Bereits vor der Covid-Pandemie arbeitete das Pflegepersonal in Spitälern und Heimen am Zahnfleisch.

Einspringen wegen Dienstplanproblemen war an der Tagesordnung, ausbezahlt wird wenig, eher ein Dienstplanloch mit einem anderem gestopft. Während der Pandemie wurde die Belastung noch viel größer, es zeigte sich, dass keine adäquaten personellen Ressourcen für außergewöhnliche Ereignisse zur Verfügung stehen.

Kündigungswelle droht

Immer mehr langjährig ausgebildetes und erfahrenes Pflegepersonal hat den Wunsch, diesen Beruf zu verlassen. Selbst der Weltbund der Krankenpfleger*innen warnt davor, dass eine Kündigungswelle droht. Dies liegt aber nicht – wie oft behauptet – an den Folgen der Pandemie, sondern an den Arbeitsbedingungen, die sich durch vorherige Krisen noch weiter verschärft haben. Die Arbeitgeber*innen hoffen auf Ersatz durch billigeres Hilfspersonal und dass solche Verhältnisse zum Normalzustand werden. Was einmal „reingeht“, geht immer.

Die immer lauter werdenden politischen Antworten auf den schon derzeit bestehenden Pflegemangel zeigen „fordistische“ Ansätze. Noch 1999 bedeutete eine Novelle des Gesetzes für die hochqualifizierte Pflege mehr als die Übernahme von Arzttätigkeiten, sondern auch in ihren selbstverantwortlichen Tätigkeiten der Körperpflege, Tagesgestaltung, Medikamentenverabreichung, Essensbegleitung usw. sehr viele therapeutische und damit hochqualifizierte Tätigkeiten.

Nach diversen „Krisen“ geht es nun wieder zurück dazu, dass das bestausgebildete Personal quasi den Kopf für die Ausführung dieser „Hilfstätigkeiten“ hinhalten soll und man als diplomierte oder studierte Kraft nur mehr das Management und die Übersicht übernehmen soll. Daraus entstanden in Österreich die Pflegeassistent*innen sowie die Pflegefachassistent*innen, die mit weit geringerer Ausbildung am Bett tätig sein sollen. Auch eine Pflegelehre wird thematisiert, diese soll angeblich bereits 2022 kommen. Die AK-Wien hat sich gemeinsam mit dem GLB dagegen ausgesprochen.

In Zahlen gegossen ist es allerdings so, dass eine zehnprozentige Erhöhung des Anteils professioneller Pflege in einer Einrichtung die Wahrscheinlichkeit der Patient*innen zu sterben um elf Prozent senkt. Wird eine Fachpflegekraft durch eine*n Pflege-Assistent*in ersetzt, steigt die Mortalität um 21 Prozent.

Drei Hebel

Es sind drei Hebel notwendig, um diese drohende Bedarfslücke zu bewältigen: Beste Arbeitsbedingungen mit diversen Möglichkeiten der Mitbestimmung von der Basis. Es braucht eine Budgeterhöhung für das Personal, eine Anpassung der Beschäftigtenschlüssel nach oben und eine dementsprechend festgelegte Anzahl von hochqualifiziertem Personal am Bett. Der zweite Hebel ist es, die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern: Eine 30-Stunden-Woche mit vollem Personalausgleich. Gerade hier könnte der öffentliche Dienst mit leuchten- dem Beispiel vorangehen, um eine Änderung für alle einzuleiten.

Zudem brauchen wir aber auch eine Attraktivierung der Ausbildungsbedingungen, denn sonst kann nur wenig Personal für die Zukunft akquiriert werden. Wenn man heute studiert, will man sich oft nicht einen Beruf antun, der physisch und körperlich extrem fordernd ist und der einem die diversen Probleme des Sparens im Gesundheitssystems als Kompensator*innen aufbürdet.

Deshalb haben wir einen Antrag an die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien gestellt, wo wir eine angemessene Ausbildungsentschädigung für alle Student*innen im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege – analog zur Vergütung für Polizeischüler*innen – fordern. Wir müssen an allen drei Hebeln drehen, denn nur so kann ein qualitätsvolles und hochwertiges Gesundheitswesen in Österreich aufrechterhalten und erweitert werden!

Patrick Kaiser ist Krankenpfleger und Personalvertreter im Klinikum Floridsdorf sowie Ersatz-AK-Rat für Wien

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert