Das Jahr der Viertage-Woche…

Oliver Jonischkeit über neue Arbeitszeiten

…so lautete der Titel einer Reportage von Anita Dang am 15. Jänner 2023 im „Standard“ – verbunden mit der Frage, ob dies das Arbeitsmodell der Zukunft wird? In einigen Ländern gab und gibt es bereits Langzeitprojekte zur Viertage-Woche beziehungsweise zur Arbeitszeitverkürzung.

Von Irland bis Island

So haben die Stadtregierung von Reykjavik und die isländische Regierung von 2015 – 2019 einen Versuch zur Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst gestartet. 2500 Beschäftigte aus über 100 Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen, Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen oder der Stadtverwaltung von Reykjavik haben daran teilgenommen. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit betrug 35 bis 36 Stunden pro Woche anstatt der üblichen 40 Stunden – bei vollem Lohnausgleich.

Eine ausführliche Studie darüber kam zum Schluss, dass die Beschäftigten durch die Arbeitszeitverkürzung zufriedener sind. Weniger Stress und Erschöpfungszustände, bessere Gesundheit sowie eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sind die Folge.

Zudem hat sich die Qualität der Arbeit und die Produktivität verbessert. Inzwischen gibt es auf Island für 86 Prozent der Beschäftigten kürzere Arbeitszeiten bzw. sie haben zumindest die Möglichkeit erhalten, die Arbeitszeit zu verkürzen.

Auch in Irland findet eine Testphase für eine Viertage-Arbeitswoche statt. Ein Aspekt dort widmet sich neben der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch der Verringerung der CO2-Emissionen. Eine Viertage-Woche würde laut der irischen Umweltministerin den Pendelverkehr reduzieren und dazu beitragen, CO2- Emissionen und die Luftverschmutzung insgesamt zu verringern.

Eine Viertage-Woche ist allerdings nicht automatisch mit Arbeitszeitverkürzung verbunden – wenn z.B. die Normalarbeitszeit einfach auf vier Tage pro Woche aufgeteilt wird – mit entsprechend längeren Arbeitstagen.

Lange Arbeitstage?

„Lange Arbeitstage von zehn bis zwölf Stunden sind alles andere als gesund, das kann auch kein verlängertes Wochenende ausgleichen. Stattdessen müsse die Arbeitszeit insgesamt sinken“, so Philipp Brokes, stellvertretender Leiter der Abteilung Sozialpolitik bei der AK Wien.

Eines der Unternehmen, das Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn umgesetzt hat, ist eine Onlinemarketingagentur in Oberösterreich. Seit Oktober 2018 wird dort nun an vier Tagen jeweils 7,5 Stunden gearbeitet, mit dem Ergebnis der 30-Stunden-Woche ist man dort durchaus zufrieden. Andere Betriebe bieten eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Vier- oder Fünftage-Woche an.

Und sogar bei den „Wiener Linien“ wird eine allgemeine Arbeitszeitreduktion auf 35 Stunden pro Woche bis 2028 angestrebt – ob diese dann auch wirklich umgesetzt wird – und dies bei vollem Lohn- und Personalausgleich erfolgt – wird die Zukunft zeigen.

Das GPA-Modell

Die Gewerkschaft GPA wiederum hat ein Modell „90 für 80“ – für eine freiwillige Arbeitszeitverkürzung entwickelt. Bei diesem Modell können Beschäftigte freiwillig ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren und erhalten dafür 90 Prozent ihres Gehalts. Die Differenz zahlt das AMS.

Voraussetzung dafür ist, dass für die frei werdende Zeit jemand neu im Betrieb aufgenommen wird. Für je vier Personen, die sich für das Modell entscheiden, könnte also eine neue Vollzeitstelle geschaffen werden. Laut Statistiken, auf die sich die GPA beruft, möchten 400.000 Beschäftigte in Österreich ihre Arbeitszeit reduzieren – wenn sich nur zehn Prozent für dieses Modell entscheiden würden, wür- den so 10.000 neue Jobs geschaffen.

Höchste Zeit für Arbeitszeitverkürzung

In Wirklichkeit ist es aber höchste Zeit für eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Philipp Brokes von der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien weist im „Standard“-Beitrag zu Recht darauf hin, dass die Produktivität seit Jahrzehnten ständig wachse und durch innovative Technologien auch künftig noch weiter ansteigen werde.

Die Produktivitätszuwächse landen aber letztlich bei den Unternehmen und kommen nicht bei den Beschäftigten an, die maximal die Inflation abgegolten bekommen, so Brokes. Und auch davon sind wir heuer weiter weg denn je. Höchste Zeit also für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Oliver Jonischkeit ist Bundessekretär des GLB und Arbeiterkammerrat in Wien

Cartoon: Karl Berger

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