Denken für Kapital und Reichtum

Ein „frisches Denken für Österreich“ verspricht die 2013 gegründete Agenda Austria. Tatsächlich aber sind die Veröffentlichungen dieses „Think Tank“ nur der Machterhaltung des Kapitals geschuldet. Auch einzelne fortschrittliche Aspekte sind letztlich nur einer flexiblen Anpassung des Kapitalismus an die Herausforderungen der Zeit geschuldet.

Generell will die neoliberale „Denkfabrik“ dafür sorgen, dass der Profit stimmt und die Dominanz der Superreichen gesichert bleibt. Daher ist der Agenda auch die Eigentumsförderung ein besonderes Anliegen, die konträr zum neoliberalen Dogma „Privat ist besser als Staat“ auch mit Steuermitteln erfolgen soll. Etwa beim Wohneigentum, wo man den Einfluss der Immobilien-Lobby merkt.

Wenig verwunderlich agiert die Agenda Austria strikt gegen Preisbremsen und Mietendeckel und für „moderate Lohnabschlüsse“. Soll doch verschleiert werden, dass erst die exorbitanten Preiserhöhungen der Unternehmen auch höhere Lohnsteigerungen zur Folge haben. Und auch Arbeitszeitverkürzung und gesetzliche Mindestlöhne – wie sie in zahlreichen EU-Ländern schon existieren – sind für die „Denkfabrik“ Teufelszeug. Scheinheilig plädiert man für die Senkung von Steuern auf Arbeit, gemeint ist aber die Senkung von Lohnnebenkosten bzw. der Unternehmensbeiträge dafür, was die zunehmende Unfinanzierbarkeit sozialer Errungenschaften bedeutet.

Dafür plädiert man für eine restriktive Sozialpolitik. Etwa durch eine Verschärfung beim Arbeitslosengeld oder dass es in Österreich zu viele Feiertage geben würde. Und die Forderung nach Kürzung „marktverzerrender“ Subventionen und Ausgaben zielt ganz offen auf eine Demontage des Sozialstaates.

Als Dauerbrenner gilt die Kritik am „unfinanzierbaren“ Pensionswesen. Unterschlagen wird dabei, dass die ASVG-Pensionen laut Anfragebeantwortung von Sozialminister Rauch (16.1.2023) zu 98 Prozent durch Versicherungsbeiträge gedeckt sind, hingegen bei Selbständigen nur zu 59,8 Prozent und in der Landwirtschaft gar nur zu 27,5 Prozent.

In Bezug auf die Migration grenzt sich Agenda Austria vom zunehmenden Rechtsaußen-Kurs der ÖVP zwar ab, forciert aber die „qualifizierte Zuwanderung von Arbeitskräften“, im Klartext einen Brain-Drain auf Kosten der Herkunftsländer.

Ganz im Sinne des neoliberalen Dogmas agiert Agenda Austria für eine hemmungslose Globalisierung und kritisiert die zaghaften Lieferkettengesetze. Die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten haben gefälligst für den Profit zurückzustecken und wird als überschüssige Bürokratie verteufelt.

Wer aber ist diese Agenda Austria? Mit einem Budget von 1,5 Mio. Euro gilt sie nach WIFO (12,5), IHS (9,3) und WIIW (3,8 Mio. Euro) als die viertgrößte „Denkfabrik“ des Landes. Es handelt sich um einen Verein „gegründet mit dem Ziel, dieses Land in gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Belangen zu öffnen“. Geleitet unter dem zeitgeistigen Motto „Inspiration und Führung“ seit 2013 von Franz Schellhorn – Bruder des NEOS-Politikers und Hoteliers Sepp Schellhorn – einem ehemaligen Wirtschaftsredakteur der „Presse“, wo er weiterhin als wöchentlicher Kolumnist agiert.

Um das Fundraising kümmert sich ein sechsköpfiges Gremium unter Senatspräsident Veit Sorger, ehemaliger Präsident der Industriellenvereinigung und so nebenbei aktuell auch Präsident des Verbandes der Privatstiftungen. Im fünfköpfigen wissenschaftlichen Beirat agiert unter anderem der für seine Fließbandstudien bekannte emeritierte Linzer Uniprofessor Friedrich Schneider.

Ein Blick auf den Förderkreis zeigt, um welche Interessen es sich handelt. Da gibt es 60 Firmen und 20 private Mitglieder – durchgehend die „Creme de la Creme“ des Austro-Kapitals. Betont wird, der „erste von Staat, Parteien, Kammern und Interessenverbänden unabhängige Think-Tank Österreichs“ zu sein, womit die Funktion als Sprachrohr des Kapitals hinreichend verdeutlicht wird. Daran ändert auch nichts, dass keines der fördernden Mitglieder “einen höheren Anteil am Gesamtbudget als zehn Prozent“ erreicht. Schließlich gilt das kollektive Interesse.

Von den 60 Firmen verfügen – soweit feststellbar – 17 über eine Privatstiftung, von den 20 privaten Mitgliedern drei. Unter den TOP100 der Reichsten in Österreich (trend 2022) rangieren die Eigentümer:innen von elf Firmen und vier private Mitglieder. Pikant ist auch, dass neun Firmen als Sponsoren der ÖVP im Jahr 2017 – als Kurz zum Kanzler gemacht wurde – aufscheinen.

Und als Draufgabe beansprucht die Agenda Austria mit dem Vereinszweck „Forschungsinstitut“ zudem den Anspruch auf Gemeinnützigkeit. Lobbyismus für Kapital und Reichtum wird auch noch belohnt.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“

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