Es gibt erfolgreiche Modelle
Kürzlich brachte der BEIGEWUM (Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen) gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien, der Arbeiterkammer Oberösterreich, arbeit plus und dem Institut für Soziologie der Universität Wien den neuen Sammelband „Mit einer Jobgarantie zum Recht auf gute Arbeit“ heraus – eine frische Perspektive auf Arbeit, Sicherheit und Gerechtigkeit.
Im Interview mit Lukas Gneist verrät Vorstandsmitglied und Mitautor Daniel Witzani-Haim, wie eine Jobgarantie den Arbeitsmarkt revolutionieren könnte:
Viele glauben, eine Jobgarantie sei nicht finanzierbar. Ihr stellt mögliche Modelle zur Gegen- finanzierung vor, kommt aber zu dem Schluss, dass die Umsetzung sehr unwahrscheinlich ist. Glaubst du, dass wir eine flächendeckendere Arbeitsplatzgarantie noch erleben werden?
Ja, denn der ÖGB und auch der Europäische Gewerkschaftsbund setzen sich zum Beispiel für eine Jobgarantie ein. In den letzten Jahren hat sich das gewandelt – mittlerweile betrachten die Gewerkschaften die Jobgarantie auch als eine wichtige Ergänzung. Gerade angesichts des aktuellen Fachkräftebedarfs sind selbst konservative Kräfte gezwungen, früher oder später Arbeitskräftepotenziale auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Dem Kapitalismus immanent
Die progressiven Kräfte verstehen ohnehin, dass Arbeitslosigkeit im Kapitalismus systemimmanent ist. Solange es weniger Arbeitsplätze gibt als Menschen, die Arbeit suchen, wird es immer einen gewissen Anteil an Personen geben, die in Armut leben – besonders, weil die Notstandshilfe in Österreich so gering ist.
Natürlich hat das Kapital ein Interesse daran, ein gewisses Polster an Arbeitslosen zu halten. Würdest du sagen, dass eine Arbeitsplatzgarantie auch mehr Mut zum Arbeitskampf schaffen könnte?
Die Jobgarantie soll die Angst vor Arbeitslosigkeit nehmen, indem sie länger arbeitslosen Menschen die Möglichkeit bietet, eine kollektivvertraglich bezahlte Stelle zu bekommen. Dabei muss man realistisch bleiben: Die Arbeitsplatzgarantie ersetzt keine Industriebeschäftigung. Für den Arbeitskampf in der Industrie braucht es weiterhin gewerkschaftliche Organisierung.
Demokratische Mitbestimmung
Für uns ist es essenziell, dass ein öffentliches Beschäftigungsprojekt freiwillig für die Arbeitslosen ist und dass es demokratische Mitbestimmung gibt. Das heißt: Werden die richtigen Jobs für die richtigen Personen geschaffen? Denn was man keinesfalls will, sind sogenannte „Bullshit Jobs“. Zudem braucht es mehr lokale Beteiligung. Mit diesen beiden Elementen – Freiwilligkeit und lokaler Mitbestimmung – unterscheidet sich die Jobgarantie stark von sanktionierender Arbeitsmarktpolitik, die wir grundsätzlich ablehnen.
Parallel zur Veröffentlichung hat Johannes Kopf, Vorstandsvorsitzender des AMS, kürzlich gesagt: Eine Jobgarantie funktioniere in einem Rahmen wie in Marienthal, aber in Wien wäre es schwierig. Was würdest du ihm entgegnen?
Es ist eine Frage des politischen Willens. Öffentliche Beschäftigungsprogramme können, wenn sie sowohl politische als auch lokale Unterstützung erhalten, auch in großem Umfang funktionieren. Dafür gibt es internationale Beispiele, und auch in Österreich haben wir erfolgreiche Modelle, wie die Aktion 20.000 oder die Aktion 8000. Wenn der Wille besteht, arbeitslose Menschen in Beschäftigung zu bringen – auch in öffentlich geschaffene Stellen – dann lässt sich das Programm auch großflächig umsetzen.
Daniel Witzani-Haim ist Referent der Arbeiterkammer Wien