Feministischer Backlash des Kanzlers

Nicht nur in seinem geforderten Gender-Verbot für die Verwaltung erweist sich Bundeskanzler Nehammer als „Backlash-Kanzler“, auch in seiner Rede zum Wahlkampfauftakt in Wels Ende Jänner bestätigte er dieses Image bezüglich der erst auf Druck der Fraueninitiativen kurz vor Weihnachten veröffentlichten Zeitverwendungsstudie.

Frauen sind jedenfalls nicht gemeint, wenn er sagt: „Weil dieses Land Menschen prägt, die fleißig sind, die bereit sind, auch eben Verantwortung zu übernehmen …, die sich eben auch in Krisen mehr als bewährt haben… Einer dieser Wegweiser ist das Thema Leistung und Leistung ist so ein umfassender Begriff. Und das Erste, was mir dabei einfällt, ist die Wirtschaft in unserem Land, die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Industriebetriebe… (Benko?)

Die Lohnnebenkosten müssen runter, damit die Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt…. Dass wir die belohnen, die bereit sind, volle Arbeitsleistung zu geben. Vollzeit zu arbeiten und deswegen gibt es 1.000 Euro Bonus für die, die das tun.“ Als Ignoranz gegenüber erzwungener Teilzeitarbeit kann das 1000-Euro-Versprechen nur als Männerprämie gewertet werden.

Ist Sorgearbeit keine Leistung?

Was wird wieder einmal in der Zeitverwendungsstudie sichtbar, in der alle Hausarbeiten wie Versorgung mit Mahlzeiten, Geschirr spülen, Gartenarbeit, Haustierpflege, Reparaturen im Haushalt, Fahrzeugpflege, putzen, Wäsche waschen, bügeln, Einkaufen, handwerkliche Tätigkeiten, die Betreuung von Kindern, die damit verbundenen Wege, die Pflege von Angehörigen und ehrenamtliche Arbeit, erfasst werden, also durchaus auch „typische“ Männerarbeiten, sofern es sich nicht um eine Alleinerzieherin handelt.

Täglich zwei Stunden zusätzlich unbezahlt

Frauen leisten in Österreich jeden Tag fast zwei Stunden unbezahlte Arbeit mehr als Männer. Den bei Weitem größten Teil macht die Sorgearbeit für die Familie und im Haushalt aus. Männer leisten hier rund 40 Prozent weniger Sorgearbeit als Frauen. Bei der Kinderbetreuung zeigt sich: Je jünger das Kind, umso mehr unbezahlte Erziehungs- und Betreuungsarbeit übernehmen die Frauen.

Insgesamt verbringen Frauen mehr als doppelt so viel Zeit mit den Kindern als Männer. Sogar bei gleichem Erwerbsausmaß der Frau und ihres Partners übernimmt die Frau rund zwei Drittel (64 Prozent) der Hausarbeit und der Mann rund ein Drittel. Auch wenn das Erwerbsausmaß der Frau höher ist als das des Mannes, erledigen Frauen mehr als die Hälfte der Hausarbeit.

Die Betreuung der Kinder wird ähnlich wie bei der Hausarbeit verteilt – die Frau übernimmt rund zwei Drittel (67,2 Prozent) der Kinderbetreuung und der Mann rund ein Drittel (32,8 Prozent). Frauen wenden durchschnittlich eine Stunde und 58 Minuten für sämtliche Tätigkeiten auf, die die Kinderbetreuung umfassen. Männer investieren hier durch- schnittlich mit 53 Minuten weniger als die Hälfte davon.

Die Ergebnisse der Analyse zeigen: Weiterhin bestehen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich Verteilung der unbezahlten, unsere Lebensqualität sichernden Arbeit. Das erzeugt ein doppeltes Problem: Frauen leisten zwar mehr, haben jedoch weniger Geld und weniger Zeit.

Null verbessert

„Im Vergleich mit der vorangegangenen Erhebung aus 2008/09 hat sich die Situation für die Frauen in diesem Land null verbessert. Sie leisten immer noch die Mehrheit der Sorgearbeit – und das unbezahlt und unter größtem Druck. Und bereits junge Mädchen machen deutlich mehr Hausarbeit als Burschen. Damit ist der von Frauenministerin Susanne Raab deklarierte Generationenwandel für mich nicht ersichtlich“, kritisiert AK-Präsidentin Anderl.

Wichtig sei, dass die Zeitverwendungserhebung regelmäßig stattfindet. Anderl fordert: „Wir brauchen regelmäßige und vergleichbare Daten. Nur auf dieser Basis können Entwicklungen in der Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit erkannt und aktiver gesteuert werden.“ Eine Vergleichbarkeit mit den lange zurückliegenden Ergebnissen aus 2008/ 2009 sei nicht durchgängig gegeben.

Die Initiative „fair sorgen!“, in der ich seit Gründung aktiv bin, war maßgeblich am Druck für diese Studie beteiligt. Sie kommt zu einer ausführlichen Auswertung (Info https://fairsorgen.at), Wirtschaften fürs Leben in den Mittelpunkt zu nehmen und ist eine deutliche Ansage gegen kapitalistische Profitgier. Auf der Website gibt es Hinweise auf die Initiativen in den Bundesländern. Über dein Engagement würden wir uns freuen!

Heidemarie Ambrosch ist Frauensprecherin der KPÖ und in feministischen Zusammenhängen aktiv tätig

Cartoon: Karl Berger

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