Immer Tempo

Leo Furtlehner über die Digital-Uni in Linz

Der „Leuchtturm“ führte in eine Sackgasse. Dabei stellten sich die Industriellenvereinigung (IV) als Initiator und LH Thomas Stelzer (ÖVP) als willfähriger Umsetzer das Projekt als „g´mahde Wiesn“ vor. Die Digital-Uni in Linz, offiziell Institute of Digital Sciences Austria (IDSA), gilt als Paradeprojekt für den „Standort Oberösterreich“ und den neoliberalen Digitalisierungswahn.

Das Projekt entstand 2020 als türkise „Morgengabe“ von Ex-Kanzler Kurz im Wahljahr 2021. Bereits mit dem Herbstsemester 2023 sollen die ersten Doktoratsstudien aufgenommen werden. Ein Ehrgeiz, vor dem der Linzer Bürgermeister Luger (SPÖ) warnte. Er forderte ein Aussetzen des „irrationalen Zeitplans“, der nur aus „Überschriften und Platzhaltern“ bestehe (OÖN, 7.3.2023). Doch LH Stelzer und Minister Polaschek (ÖVP) forderten, den Uni-Betrieb schnellstmöglich aufzunehmen „damit niemand daran ruckeln kann“.

Sand im Getriebe

Dann kam aber im März noch mehr Sand ins Getriebe, weil nicht – wie von IV und LH vorgesehen – Meinhard Lukas (Ex-Rektor der Uni Linz), sondern die Informatikprofessorin der TU Graz, Stefanie Lindstaedt, zur Gründungsrektorin des IDSA gewählt wurde. Der geäußerte Respekt vor der Entscheidung des Kollegiums von LH Stelzer und Wirtschaftslandesrat Achleitner (ÖVP) dürfte nicht wirklich ernst gewesen sein.

So meinte IV-Landespräsident Stefan Pierer – bekannt als ÖVP-Financier – „Ein befangenes Gremium hat nicht die beste Entscheidung getroffen“. Na klar, wer gegen die Wünsche der Industrie stimmt, muss befangen sein. Und die „OÖ Nachrichten“ orteten ein „Netzwerk der TU Graz“ – um spitz die „fehlende Netzwerkfähigkeit Oberösterreichs und seiner Landespolitik“ anzumerken.

Aber wahrscheinlich hat sich LH Stelzer nicht klar genug ausgedrückt, wenn Christina Rami-Mark, Vorsitzende des Gründungskonvents meint: „Der Landeshauptmann hat mich und den Gründungskonvent stets darin bestärkt, uns für den bestgeeigneten Kandidaten oder die bestgeeignete Kandidatin zu entscheiden.“ (Standard, 11.3.2023)

Stelzer ist sauer

Nun hatte es auch Stelzer nicht mehr mit Freundlichkeiten und Respekt und erklärte ganz unverblümt „Ich bin sauer“ (OÖN, 9.3.2023). Er warf dem Konvent „Unprofessionalität“ vor – um unterstützt von Minister Polaschek – neuerlich auf seinem Zeitplan „wie man sich vorstellt, dass die Gründung vonstattengehen kann“ zu beharren. Denn es solle allen bewusst sein, dass „Digitalisierung eigentlich auch immer Tempo heißt“.

Schon im Jänner 2023 zog sich Gerald Bast, Rektor der Universität für Angewandte Kunst in Wien entnervt aus dem Gründungskonvent zurück und meinte „Es war ein Punkt erreicht, an dem mit keinen sachlichen und inhaltlichen Entscheidungen mehr gerechnet werden kann“ (OÖN, 9.3.2023). So richtig die Sau ließ der Industrielle Helmut Fallmann, Chef der Linzer IT-Firma Fabasoft, mit einer Aufsichtsbeschwerde beim Ministerium heraus, die aber abgewiesen wurde, woraufhin Fallmann aus dem Gründungskonvent zurücktrat.

Dazu meinte Keya Baier vom ÖH-Vorsitzteam: „Es muss verhindert werden, dass es rund um die Gründung des IDSA in Linz zu gravierender Einflussnahme seitens Politik oder Wirtschaft kommt, da so ein Präzedenzfall zu Stande käme, der auch zu ähnlichen Fällen in der Zukunft führen könnte. Die Autonomie der Hochschulen steht nicht zur De- batte” (OTS0084, 9.3.2023).

Verkorkster „Leuchtturm“

Das „Leuchtturmprojekt“ IDSA war allerdings von Anfang an ziemlich verkorkst. Schon Anfang 2022 hatte der Linzer KPÖ-Gemeinderat Michael Schmida das Projekt als „Gipfel der Zurichtung auf Wirtschaftsinteressen und Pervertierung der Idee einer Universität“ kritisiert (LPD 3.2.2022). Denn für diese „Universität neuen Typs“ ist eine eigene Organisationsstruktur außerhalb des Universitätsgesetzes vorgesehen. Sie soll als GmbH geführt werden, demokratische Gremien wie Senat oder andere Kollegialorgane sind nicht geplant. Mit 29 negativen Stellungnahmen war die Kritik an der Gesetzesvorlage für das IDSA vernichtend (OE24, 19.5.2022). Zumal auch klar ist, dass die Finanzierung auf Kosten bestehender Universitäten erfolgen soll.

Was freilich die Betreiber kaltschnäuzig abschmetterten. So meinte etwa IV-Landesgeschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch „Notwendig ist ein Schulterschluss für das Jahrhundertprojekt statt Grabenkämpfe“ (Standard, 19.5.2022). Minister Polaschek bezeichnete den Vorwurf der Nähe zur Industrie als „Killerargument“ (OÖN, 19.5.2022). Und Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl orakelte: „Wir drohen das mit der Digital-Uni zu vergeigen“ (OÖN, 22.12.2021). Aber wahrscheinlich muss die Digital-Uni „als Fußabstreifer für die Verfolgung persönlicher und politischer Interessen herhalten“ (Kurier OÖ, 12.3.2023).

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur von „Die Arbeit“

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