Infrastruktur für alle, nicht für den Profit

Michael Graber zum Thema öffentliches Eigentum

Kürzlich wurde publik, dass in einem Pflegeheim in Salzburg Klient* innen tagelang nicht versorgt wurden, sogar hungerten. Das Heim wird von der SeneCura-Gruppe betrieben, die zum börsenotierten französischen „Gesundheitsunternehmen“ Orpea gehört – bekannt für die Gewinnmaximierung Hygiene-, Personal-, und Betreuungsstandards mit Füßen zu treten.

Laut dem Wirtschaftsmagazin „Gesunde Rendite“ schützen Aktiendepots bei Krisen aller Art: „Titel von US- Krankenversicherern, Pharmaunternehmen und Onlineapotheken bringen sogar jetzt solide Gewinne.“ Das US-Gesundheitswesen ist vom Zusammenspiel privater Krankenversicherungen und ebensolcher Krankenhäuser geprägt. Diese und ihre politischen Vertreter*innen wehren sich gegen eine obligate öffentliche Krankenversicherung. Sie profitieren von steigenden Prämien und höheren Zinsen. Auch in Österreich mischen private Versicherungen immer stärker im Gesundheitswesen mit, was zur Mehrklassenmedizin geführt hat.

Sichere Versorgung

Pflege und Gesundheit sind ein wesentlicher Bereich, wo privates Profitstreben zur Pervertierung des Anspruchs einer sicheren Versorgung führt. Privates Kapital hat sich in der Daseinsvorsorge, im Verkehrs- und Energiewesen eingenistet. Mit tatkräftiger Unterstützung der Politik durch Privatisierungen, unter dem Schlagwort der Deregulierung und Druck der EU zur „Öffnung der Märkte“.

Beispiel Westbahn

Ein Beispiel ist die Öffnung des Schienenverkehrs für private Bahnunternehmen (etwa für Haselsteiners Westbahn) obwohl das abschreckende Beispiel der Privatisierung der Bahnen in Großbritannien schon vor Jahren bekannt war: Keine Investitionen in die Infrastruktur, hohe Tarife, niedere Löhne, was aktuell zu umfassenden Streiks geführt hat.

Die E-Wirtschaft war bis zur Liberalisierung des Strom- und Energiemarktes in öffentlicher Hand. Heute ist es der Verbund – der die meisten Großkraftwerke betreibt – nur mehr zu 51 Prozent. Die Landesgesellschaften haben meist ebenfalls private – meist ausländische – Beteiligungen und teilweise über Cross-Border-Leasing ihre Netze an US-Finanzkonzerne verkauft. Der Ausbau erneuerbarer Energie (Windkraft, Fotovoltaik) erfolgt meist über private Firmen. Dies und die Verlagerung des Stromaustausches auf eine europäische Börse hat – wie das „Merit Order Prinzip“ zeigt – nicht zur Versorgungssicherheit und schon gar nicht zur Preisstabilität beigetragen.

Der große Umbruch in den Eigentumsverhältnissen in der Industrie, Energie- und Finanzwirtschaft erfolgte ab Ende der 1980er Jahre. Die damaligen Regierungen unter Regie von SPÖ und ÖVP übernahmen die Dogmen der neoliberalen Wirtschaftspolitik.

Die verstaatlichte Industrie, die fast alle Grundstoffindustrien umfasste, mit der Voest-Alpine als Flagg- schiff, wurde privatisiert, die verstaatlichten Banken fusioniert und Multis angeschlossen, ihre Industriekonzerne verkauft oder liquidiert.

Vielfach behaupten neoliberale Ökonomen und ihnen folgende Parteien, die Eigentumsverhältnisse seien in einer globalisierten Wirtschaftswelt nicht mehr relevant, wichtiger seien das Management und andere Faktoren. Allerdings wird plötzlich die „kritische Infrastruktur“ entdeckt, wenn unliebsame Länder – wie etwa China – ihre Fühler ausstrecken. Da gilt es plötzlich die Besitzverhältnisse zu prüfen und ob ausländische bzw. außerhalb der EU befindliche Wirtschaftsinteressen zugelassen werden dürfen.

Eigentumsverhältnisse relevant

Plötzlich sind also die Eigentumsverhältnisse eine hochpolitische Angelegenheit. Die Beteiligung der absolutistischen feudalen Herrscherclique in Abu Dhabi an der ÖMV scheint da allerdings kein Problem zu sein. Auch die Forderungen nach Eingriffen in die Märkte angesichts der Preisexzesse, die wir derzeit erleben, werden mit dem Verweis auf die Eigentumsverhältnisse des „freien Marktes“ abgewehrt. So etwa auch im Wohnungswesen, wo der Haus- und Grundbesitzerbund eine starke Lobby im Parlament hat.

Warum ist öffentliches Eigentum in der Daseinsvorsorge, den öffentlichen Diensten und der Infrastruktur wichtig? Dort, wo es um die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der gesamten Bevölkerung geht, müssen gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Kriterien Ausgangs- und Endpunkt der Wirtschaftsführung und nicht das Kriterium höchstmöglicher Profite sein.

Dort allerdings, wo öffentliches Eigentum in der Wirtschaft wie ein privater Konzern geführt wird, lässt das Interesse der Öffentlichkeit an der Bedeutung der Eigentumsverhältnisse verständlicherweise nach. Das ist erst recht wieder ein Einfallstor für die Durchsetzung von privaten Konzerninteressen, auch in den Bereichen der Volkswirtschaft, die für die soziale Stabilität und die Wahrung sozialer Interessen entschei- dend sind.

Michael Graber ist Ökonom und Bundesobmann des ZVPÖ

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