Menschen hinter Gittern

Horst Alic über Probleme in den Justizanstalten

Wenn man von Gefängnissen spricht, denkt man in erster Linie an Mörder und Vergewaltiger. Sie sind es ja, welche die Zeitungen füllen. Voll sind die Gefängnisse aber größtenteils mit jenen, die hauptsächlich wegen Eigentums- oder Drogendelikten einsitzen oder eben Delikten, die mit Sucht in Zusammenhang stehen.

Während der Gesetzgeber eindeutig von Insassen spricht, gibt es im Volksmund eine Vielzahl von Namen für Verbrecher. Letztendlich hat man es hier aber einfach mit Menschen zu tun. Menschen, die uns anvertraut werden und das laut Strafvollzugsgesetz mit dem Ziel, ihnen zu einer den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebensführung zu verhelfen und sie dazu zu bringen, das Unrecht ihrer Tat einzusehen.

Was hier sperrig formuliert ist, das ist bei diesen Rahmenbedingungen aber fast nicht möglich. Der massive Personalmangel verunmöglicht ernstgemeinte Betreuung. Betreuung aber ist das einzige Mittel, die oben genannten Zwecke des Vollzugs zu erreichen. Ob Sicherheit oder Betreuung, beides braucht ausreichend Personal.

Zudem muss man wissen, dass der Großteil der Inhaftierten aus dem Teil der Gesellschaft kommt, der nicht nur mit materiellen Defiziten kämpft, sondern infolgedessen auch oft in emotionaler Hinsicht belastet ist. Mit anderen Worten: die soziale Ungleichheit in der Bevölkerung spiegelt sich in den Gefängnissen wider.

Diebstahl macht Arme nicht reich. Steuervermeidung macht Reiche aber reicher. Der Unwert des zugrunde liegenden Verhaltens ist der gleiche. Eingesperrt wird der Dieb. Wie soll man da Unrechtsbewusstsein schaffen? In Haft wird man jeglicher Selbständigkeit beraubt. Hier hast du zwar viel Zeit, aber keine Möglichkeit, diese frei zu gestalten. Eigentlich das genaue Gegenteil eines Lebens draußen. Worauf man ja vorbereitet werden soll.

Die Möglichkeit, einen Job zu bekommen erhöht sich nicht durch das Stigma der Haft. Die Chance, wieder hinter Gitter zu gelangen, steigt jedoch mit jeder Vorstrafe. Schaut man sich die Rückfallquote an, ist die Geschichte des Sisyphus eine Erfolgsgeschichte im Vergleich zur Aufgabe der Justizwache.

Wir stehen also vor unlösbaren Aufgaben, wenn man das große Ganze betrachtet. Aber all die kleinen Dinge des täglichen Ablaufs in einer Justizanstalt lösen wir unter widrigsten Bedingungen. Und das ganz unspektakulär. In der Zeitung stehen wir deswegen nicht. Das tun wir nur wenn etwas passiert. Wen interessiert schon, wenn wir unseren Job anständig machen?

Die Bediensteten vor Ort leisten großartige Arbeit und beeinflussen die Verhältnisse in Gefängnissen am meisten. Und zwar ganz einfach deswegen, weil Arbeit mit Menschen damit beginnt und daran gemessen wird, wie man Menschen begegnet. Wir werden weder das System noch die Gesetze auf die Schnelle verändern können. Werden weder mehr Personal noch weniger Insassen bekommen. Was wir aber beeinflussen können, ist der Umgang miteinander und den Leuten, die uns anvertraut sind.

Bei all den Ausrüstungsgegenständen, die wir an unserem Gürtel tragen, ist gegenseitiges Vertrauen die beste Waffe, und das schaffen wir täglich in der Begegnung miteinander.

Horst Alic ist Justizwachebeamter und Gemeinderat in Graz

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