Mit Almosen abgespeist

Gerald Oberansmayr zum Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“

Die Zahl der Arbeitslosen hat infolge von Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise massiv zugenommen. Im Februar 2021 waren knapp 509.000 Menschen in Österreich arbeitslos. Das sind über 27 Prozent mehr als im Februar des Vorjahres.

Gleichzeitig ging die Zahl der offenen Stellen im November 2020 um über 13 Prozent auf etwas über 65.000 zurück. Damit stellen sich fast acht Arbeitslose um eine offene Stelle an. Das heißt sieben von acht Arbeitslosen können laufen, so schnell sie wollen, sie haben keine Chance auf einen Job.

Langzeitarbeitslosigkeit explodiert

Regelrecht explodiert ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen (länger als sechs Monate arbeitslos), nämlich etwas über 93.000 im Februar 2020 auf über 163.000 im heurigen Februar. Das entspricht einem Zuwachs um 70 Prozent. Die Coronakrise ist dabei bestenfalls die halbe Wahrheit. Denn die Zahl der Langzeitarbeitslosen wächst bereits seit einem Jahrzehnt kontinuierlich an.

Im Zeitraum 2011 bis 2020 hat die Zahl aller Arbeitslosen um 51 Prozent zugenommen, die Zahl derjenigen, die länger als ein halbes Jahr arbeitslos sind um 341 Prozent, die Zahl der länger als ein Jahr Arbeitslosen um 1.164 Prozent! (siehe Grafik) Hintergrund für diesen starken Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht zuletzt die Austeritätspolitik, die ab Beginn dieses Jahrzehnts über die diversen EU-Verordnungen bzw. den EU-Fiskalpakt erzwungen wurde.

Der Anteil der öffentlichen Nettoinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt fiel zwischen 2009 und 2015 fast auf die Hälfte. Die Steigerung öffentlicher Investitionen für eine ökosoziale Wende ist daher ein zentraler Schlüssel, um aus der hohen Arbeitslosigkeit rauszukommen und in Richtung Vollbeschäftigung umzusteuern.

„Pandemie der Armut“

Gleichzeitig muss aber den von Arbeitslosigkeit Betroffenen sofort geholfen werden. Denn wer in Österreich seine Arbeit verliert, verliert fast die Hälfte des Einkommens, da die Nettoersatzrate bei 55 Prozent liegt. Nach der Virus-Pandemie droht eine Pandemie der Armut.

Laut Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich sagen acht von zehn Arbeitslosen, dass sie vom Arbeitslosengeld kaum oder gar nicht leben können. Auch die psychischen Folgen dieser Stresssituation sind gravierend: 46 Prozent der Arbeitslosen sind mit ihrem Leben nicht zufrieden – unter den Personen in Kurzarbeit oder regulärer Beschäftigung sind es unter 20 Prozent.

Sofort und dauerhaft!

Die Regierung hat versprochen, „niemanden in dieser Krise zurückzulassen“. Doch die Arbeitslosen werden nach wie vor mit Almosen in Form von Einmalzahlungen abgespeist. Was wir aber brauchen, ist eine sofortige und dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Die Kanzlerpartei lehnt diese Forderung kategorisch ab. Sebastian Kurz verhehlt auch nicht warum: „Es muss nach wie vor attraktiv sein, arbeiten zu gehen, gerade in niedrig qualifizierten Bereichen – von den Erntehelfern bis zu gewissen Jobs im Tourismus.“ Besonders Erntehelfer werden sehr schlecht bezahlt.

In diesem Sinn hat Arbeitsminister Kocher angekündigt, ein „degressives“ Arbeitslosengeld einführen zu wollen. Das wäre zwar am Anfang höher, würde dann aber mit der Länge der Arbeitslosigkeit immer weiter zurückgehen. Das heißt, die von Armut am meisten Betroffenen, die Langzeitarbeitslosen, würden dadurch erst recht unter die Räder kommen und als Lohndrücker instrumentalisiert werden.

Das zeigt eindringlich: Ein dauerhaft höheres Arbeitslosengeld ist nicht nur für die Arbeitslosen wichtig, um den Absturz in die Armut zu vermeiden. Es ist ebenso wichtig für die Beschäftigten, um Lohndumping und dem Angriff auf die Kollektivverträge entgegenzutreten.

Warum ein Volksbegehren?

Es gibt viele soziale und politische Kräfte, die für eine sofortige kräftige, dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes eintreten. Das Spektrum reicht von Gewerkschaften, Arbeiterkammer, Caritas bis zu Arbeitsloseninitiativen und NGOs. Um politisch wirksam zu werden, brauchen wir eine breite gesellschaftliche Allianz, um unsere Kräfte für diese wichtige soziale Forderung zu bündeln.

Ein Proponent*innen-Komitee (Infos info@arbeitslosengeld-rauf.at) aus Betriebsrät*innen, Gemeinderät*innen, Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen von Arbeitsloseninitiativen und verschiedenen NGOs hat die Einleitung des Volksbegehrens „Arbeitslosengeld rauf!“ in Angriff genommen.

Lassen wir nicht zu, dass nach der Viruspandemie die Pandemie der Armut um sich greift. Alle, die mitmachen wollen, sind herzlich eingeladen.

Gerald Oberansmayr ist Aktivist der Solidarwerkstatt Österreich

Infografik: Oberansmayr

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