Schandfleck Lederindustrie

Georg Erkinger zum Thema Mindestlohn

Ende Juni 2017 haben sich die „Sozialpartner“ auf die Einführung eines Mindestlohnes in Höhe von 1.500 Euro geeinigt. Mehr als vier Jahre später ist dieser noch immer nicht flächendeckend umgesetzt.

Die Lederindustrie ist dabei eine jener Branchen, die noch weit hinter dem damaligen Ziel hinterherhinkt. Der Mindestlohn liegt aktuell bei 1.305 Euro brutto. Die Branche besteht aus den Unternehmen Boxmark Leder in Feldbach und Jennersdorf und Wollsdorf Leder. Erzeugt werden Produkte für Premiumkunden aus Automobil-, Luftfahrt-, Bahn- und Möbelindustrie. Die körperlich schwere Arbeit ist schmutzig und geruchsbelastet. 450 Vollzeitbeschäftigte dieser beiden Unternehmen, mit insgesamt 2.000 Beschäftigten, verdienen derzeit weniger als 1.500 Euro brutto.

Trotz dieser Umstände weigern sich die beiden Unternehmen im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen Zugeständnisse in Richtung höherer Löhne zu machen. Im Jahr 2020 konnte überhaupt kein KV-Abschluss erzielt werden – nach drei Runden wurde ergebnislos abgebrochen.

PRO-GE und GPA fordern nun eine ordentliche Erhöhung der Löhne und Gehälter für 2021, die Umsetzung eines Mindestlohns bzw. Grundgehaltes von 1.500 Euro, sowie eine nachträgliche Abgeltung für die abgebrochenen Verhandlungen von 2020.

Die erste Verhandlungsrunde startete am 21. Juli 2021. Nach der Zweiten wurde die Einberufung von Betriebsversammlungen angekündigt. Streiks blieben bisher aus. Stattdessen forderten PRO-GE und GPA „die Wirtschaftskammerpräsidenten der Steiermark, des Burgenlands und der Wirtschaftskammer Österreich auf, diesem unwürdigen und arbeitnehmerfeindlichen Schauspiel endlich ein Ende zu setzen.“ Geändert an den skandalösen Zuständen in der Lederindustrie hat sich dadurch freilich nichts.

Generalvereinbarung

In seltsamer Einigkeit zwischen Wirtschaftskammer und sozialdemokratischen Gewerkschaftsspitzen wurde 2017 ein vollkommen unverbindlicher Weg (und die Verlagerung auf die Branchenebene) in Richtung eines Mindestlohnes eingeschlagen. Dies geschah trotz negativer Erfahrungen aus der Vergangenheit. Wirtschaftskammerpräsident Leitl strich im Jahr 2017 zur Vereinbarung hervor, dass damit einzelne Branchen nicht überfordert werden und dass der Gesetzgeber damit nicht in den Mindestlohn eingreife. Es lag damals bereits ein Antrag auf 1.750 Euro Mindestlohn im Parlament vor. Zufrieden mit dem Ergebnis der vollkommen unverbindlichen Vereinbarung zeigten sich 2017 der damalige ÖGB Chef Foglar und AK-Präsident Kaske.

Es kam, wie es kommen musste. In zahlreichen Kollektivverträgen konnte der Mindestlohn bis zum geplanten Inkrafttreten Anfang 2020 nicht umgesetzt werden. In der PRO-GE betraf dies Mitte des Jahres 2020 noch immer ein Drittel aller Kollektivverträge, die somit deutlich verspätet in Richtung 1.500 Euro angehoben wurden bzw. werden.

Gesetzlicher Mindestlohn

Der Gewerkschaftliche Linksblock fordert angesichts dieser Umstände einen gesetzlichen und wertgesicherten Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde. Damit wären Niedriglöhne in Österreich Geschichte und auch Branchen mit einem niedrigen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad würden bei der Entwicklung der Löhne und Gehälter nicht abgehängt werden.

Georg Erkinger ist GLB-Bundesvorsitzender und AK-Rat in der Steiermark

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