Soziale Schieflage

Leo Furtlehner zum Thema CO2-Steuer

Wuchs der globale Ausstoß von CO2 von 1850 bis 1950 nur langsam auf fünf Milliarden Tonnen, so explodierte dieser bis 2019 auf über 35 Milliarden Tonnen. Nur hartnäckige Klimawandelleugner können noch ignorieren, dass angesichts unübersehbarer Temperaturschwankungen und zunehmender Naturkatastrophen kein Handlungsbedarf besteht.

Auch der ÖGB hat dies erkannt. Die Leitende Sekretärin Ingrid Reischl meint dazu „Eine faire Zukunft mit guten, nachhaltigen Jobs ist möglich, wenn der Wandel zur Klimaneutralität sozial gerecht gestaltet wird“ (OTS0106, 23.9.2021) und sie sieht „Fridays for Future“ als „starken Partner für den ÖGB“. Zu Recht stellt Reischl auch klar „Reiche verbrauchen weitaus mehr Umweltressourcen“.

Global verursachen die zehn reichsten Prozent der Weltbevölkerung satte 49 Prozent des CO2, hingegen entfallen auf die 50 Prozent ärmsten nur zehn Prozent. Woraus deutlich wird, dass es auch bei der Klimapolitik um Klassenfragen geht, aber auch um die Infragestellung der imperialen Lebensweise des reichen Nordens auf Kosten des armen Südens der Welt. Auch in Österreich differiert der CO2- Ausstoß gewaltig: Im untersten Einkommensdezil kommen im Schnitt 3,2 Tonnen CO2 auf eine Person, im obersten Dezil sind es hingegen satte 19 Tonnen (Standard, 12.10.2021).

Ein Zauberwort dabei ist die Bepreisung des CO2-Ausstoßes: Entweder durch eine entsprechende Steuer oder durch Emissionshandel. Wobei letztere Methode durch die Spekulation mit Zertifikaten höchst fragwürdig ist. Wobei klar ist, dass beide Varianten auf eine deutliche Verteuerung der CO2 verursachenden Energie hinauslaufen – und das betrifft vor allem das Autofahren und das Heizen.

Nun soll auch in Österreich im Rahmen der Steuerreform CO2 besteuert werden, 30 Euro pro Tonne sind geplant, die bis 2025 auf 55 Euro ansteigen sollen. Ein Manko dabei ist, dass wichtige Bereiche wie etwa die Landwirtschaft ausgenommen sein sollen. Die Studie des Grazer Wegener-Center hält diesen Preis für zu niedrig, um Wirkung zu erreichen und verweist auf Länder mit deutlich höherer Steuer, wie etwa Schweden (118 Euro) oder die Schweiz (90 Euro).

Als „sozialen Ausgleich“ preist die Bundesregierung einen Klimabonus, der jährlich zwischen hundert Euro in Ballungszentren und 200 Euro in ländlichen Regionen betragen soll. Doch stellt sich die Frage, welche Wirkung es für das Klima haben soll, wenn etwa der Bonus zur Finanzierung der Mehrkosten für Benzin oder Diesel verwendet wird, damit aber kaum ein Anreiz zum Umstieg auf Öffis erzeugt wird.

Das Klimaticket entspricht zwar nicht dem im Wahlkampf von den Grünen angepriesenen 1-2-3-Ticket, bringt aber für viele Öffi-Nutzer*innen eine deutliche Verbilligung. Wenn dieses Ticket aber nicht zum massenhaften Umstieg vom Auto auf Öffis führt – was zwangsläufig einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, vor allem der Bahn, voraussetzt – wird es letztlich den Autoverkehr nicht im notwendi- gen Umfang reduzieren.

Besonders gravierend ist die Schieflage beim Heizen: Wenn es für Vermieter keinen Anreiz oder Druck gibt, veraltete Ölheizungen auf zeitgemäße umweltfreundliche Heizsysteme umzustellen, zahlen die Mieter*innen die auf Öl oder Gas eingehobene CO2-Steuer. Die soziale Schieflage ist also unübersehbar.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“

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