Welche Inflation?
Die großen KV-Runden, die die hohe Inflation von 2023 abgegolten haben, sind zwar für heuer vorbei, das spornt jetzt aber Unternehmen und ihre Ökonom:innen einmal mehr an, zu versuchen, die KV-Verhandlungen auf andere Gleise zu stellen als es die bisherigen sozialpartnerschaftlichen Formeln vorgegeben hatten.
Aus der Benya-Formel – Inflationsabgeltung plus Produktivitätsabgeltung plus Umverteilungsfaktor – ist über die Jahre in der Praxis mehr oder weniger die Inflationsabgeltung übrig geblieben. Und diese stört bei hohen Inflationsraten die Unternehmervertreter. Da es sich die Gewerkschaften auf Dauer sicher nicht leisten können unter der Inflationsrate abzuschließen, kommt die Messung der Inflation selbst ins Gerede.
Welche Inflation soll abgegolten werden? Tatsache ist, dass der Verbrauchpreisindex (VPI) alle Konsumgüter und Leistungen in entsprechender Gewichtung enthält. Die Gewichtung wird alle paar Jahre durch Konsumbefragungen erhoben und durch die Statistik Austria ein adaptierter Index erstellt. So weit so gut.
Wundermittel „Kerninflation“
Nun bemängeln einige Ökonom:innen, dass der Index die Preise besonders „volatiler“ Faktoren oder des Imports genauso berücksichtigt wie alle anderen Güter und Leistungen. Die derzeitige hohe und anhaltende Inflationsphase sei nämlich durch die importierten Energie- und Nahrungsmittelpreise ausgelöst worden. Würden diese etwa aus dem VPI entfernt, wäre die Inflation weit weniger hoch ausgewiesen worden. Diese Art der amputierten Inflationsmessung wird „Kerninflation“ genannt und diese wird nun als Grundlage für Lohnverhandlungen empfohlen.
Nun zahlen aber die Konsument:innen jene Preise, die im Supermarkt angeschrieben sind und die die Energiekonzerne auf ihre Rechnungen an die Verbraucher:innen schreiben, ob sie nun importiert sind oder nicht. Die Formel mit der Abgeltung der „Kerninflation“ dient also nur dazu, die Lohnabhängigen ums Haxl zu hauen. Zu Recht wird diese Formel von den Gewerkschaften entschieden abgelehnt.
Die wirklich treibende Kraft der Inflation sind die Profite. Denn höhere Kosten werden in der Regel in den Preisen weiter gegeben, um die Profite nicht anzutasten und es werden während der Inflation vielfach auch höhere Renditen durchgesetzt. Trotz der „importierten“ Energiepreise haben gerade die Energiekonzerne in ihrer Höhe bisher nicht gekannte Profite erzielt.
Doppelter Betrug
Dazu kommt, dass gerade die Güter und Leistungen mit den höchsten Preisen die niedrigen Einkommen relativ am meisten belasten. Die Werktätigen müssen zwar etwa die hohen Nahrungsmittelpreise zahlen, bekämen aber bei den Löhnen und Gehältern nicht die wahre, sondern nur die nach unten manipulierte „Kerninflation“ abgegolten, würden also doppelt belastet und betrogen.
Die jährlichen Lohnrunden zwingen die Lohabhängigen regelmäßig dazu, gegenüber der laufenden Teuerung in Vorleistung zu treten. Denn diese wird ja erst nach einem Jahr (wenn überhaupt) abgegolten. Gerade bei hohen Inflationsraten wäre es daher angemessen, die Laufzeit der Kollektivverträge zu verkürzen, um einen rascheren Ausgleich zu erreichen. Das wäre auch eine gegen die Absicht der Unternehmerverbände gerichtete Maßnahme, die genau das Gegenteil wollen, nämlich unter dem Titel „mehr Planbarkeit“ die Laufzeiten etwa auf zwei Jahre zu verlängern, in Wirklichkeit sich aber ein Körberlgeld bei der Inflationsabgeltung zu ersparen.