Bilanz aus Sicht der Lohnabhängigen

Miriam Baghdady zur Steuerreform 2022

Sie wurde als größte Steuerentlastung der zweiten Republik angepriesen: Die Steuerreform 2022 wurde mit dem Ziel Arbeitnehmer*innen zu entlasten, den Standort zu stärken und die ökologische Trendwende einzuleiten, beschlossen. Was erstmal gut klingt, ernüchtert nach einer Bilanz der angekündigten Maßnahmen.

Insbesondere die Lohnabhängigen haben in den letzten fünf Jahren aufgrund der „Kalten Progression“ rund 4,8 Mrd. Euro zu viel an Steuern gezahlt. Wenn Löhne an die Inflation angepasst werden, soll die Kaufkraft aufrecht erhalten werden. Jedoch rutscht man damit oft in eine höhere Progressionsstufe und muss somit höhere Steuern als zuvor zahlen. Dadurch wird ein Teil der Inflationsanpassung von der Steuer aufgefressen und die Kaufkraft sinkt. Daher fordern ÖGB und AK regelmäßig die Abgeltung der zu viel gezahlten Steuer.

Dies sollte auch mit dieser Steuerreform geschehen. Um kleine Einkommen zu entlasten, wurde schon 2020 der Eingangssteuersatz gesenkt, nun folgt die Senkung der nächsten zwei Tarifstufen, nämlich von 35 auf 30 Prozent und von 42 auf 40 Prozent. Hinzu kommt eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge um kleine Einkommen unter 2.500 Euro brutto im Monat zu entlasten.

Entlastung nur bis 2025

Mit diesen Maßnahmen werden den Lohnabhängigen die zu viel gezahlten Steuern abgegolten. Damit bringt die vermeintlich größte Steuerreform nur das Mindeste für die Lohnabhängigen. Berücksichtigt man auch den Familienbonus, so bleibt eine tatsächliche Entlastung von etwa 380 Mio. Euro übrig. Der Effekt der „Kalten Progression“ wird aber fortgesetzt und frisst damit die jetzt geschaffenen Entlastungen von 119 bis 1.230 Euro (je nach Verdienst) wieder auf. Im Jahr 2025 bleibt von dieser Entlastung nichts mehr übrig.

Im Gegensatz dazu werden Unternehmen mit rund 1,5 Mrd. Euro im Jahr dauerhaft entlastet. Dabei fällt insbesondere die Senkung der Körperschaftssteuer ins Gewicht und führt pro Jahr zu Mindereinnahmen von 800 Mio. Euro. Eine Summe, die wichtig für Investitionen in die Zukunft wäre, um den Wohlstand aller weiterhin gewährleisten zu können. Drängende Fragen, wie die durch Digitalisierung und Dekarbonisierung stattfindende Transformation, der Ausbau der Kinderbetreuung und der Pflege hätten damit zumindest zum Teil angegangen werden können.

Steuersystem schieflastig

Unverändert bleibt, dass Österreich zu den ungerechtesten Ländern gehört, wenn es um die Verteilung von Vermögen geht: Laut OECD-Vergleich ist nur Deutschland ungerechter. Das reichste Prozent besitzt 40 Prozent aller Einkommen, Immobilien oder Aktien. Der Hälfte der Österreicher*innen gehört dagegen gerade einmal drei Prozent.

Wenn man sich anschaut, wer in Österreich Steuern zahlt, kippt das Bild gegengleich: Lohnabhängige, Pensionist*innen und Konsument*innen – also jene, die ihr Leben lang gearbeitet haben – schultern 80 Prozent der Steuerlast. Von Unternehmen und Vermögen kommen nur rund 15 Prozent, nur halb so viel wie im OECD-Schnitt. Trotz der großzügigen Hilfen an Unternehmen während der Pandemie, werden sie trotz wieder steigender Umsätze nicht an der Krisenfinanzierung beteiligt. Im Gegenteil, während sich die Lohnabhängigen ihre Entlastung quasi selbst zahlen, gibt es für Unternehmen Entlastungen die dauerhaft bestehen bleiben.

CO2-Bepreisung mit Pferdefuß

Bei dieser Steuerreform geht es aber nicht nur um Entlastungen, sondern auch um Verhaltensänderungen in Richtung weniger CO2-Verbrauch, die durch die CO2-Bepreisung, erreicht werden sollen. Die Folge sind höhere Preise beim Heizen mit Gas oder Öl sowie höhere Kosten beim Pendeln. Die zusätzlichen Kosten werden mit einem Ökobonus zwischen 100 und 200 Euro im Jahr abgefedert, fokussieren aber nur auf die Verfügbarkeit des öffentlichen Verkehrs.

Höhere Kosten beim Heizen werden durch den Ökobonus nicht berücksichtigt, dabei fallen gerade diese bei einkommensschwachen Familien besonders ins Gewicht. Die höchsten CO2-Emissionen werden auch nicht von ihnen verursacht, sondern von jenen die besonders hohe Einkommen beziehen. Das reichste 0,1 Prozent – also 887 Personen – verbrauchen 20-mal so viel CO2 in einem Jahr wie eine Person aus den untersten 50 Prozent (4,4 Mio. Menschen). So wird zwar eine Ökologisierung des Steuersystems vorgenommen, allerdings ohne sich die soziale Verteilungsfrage in einem ausreichenden Ausmaß zu stellen.

Grosso modo ist die Entlastung der Lohnabhängigen begrüßenswert. Es kommt aber trotz des Wirtschaftsaufschwungs zu keinen nachhaltigen Verbesserungen für kommende Generationen. Denn das Geld wandert statt in die Bildung, Pflege oder Umschulung in Richtung zukunftsfitter Jobs an gewinnstarke Konzerne. Das schadet den Lohnabhängigen und dem Standort Österreich.

Miriam Baghdady ist Wirtschaftsexpertin im Volkswirtschaftlichen Referat im ÖGB

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