Die Unschuldsvermutung gilt nicht

Heidi Ambrosch über die systemimmanente „Care-Krise“

Keineswegs überraschend nur offensichtlicher ist der Mangel an bezahlter Arbeit und ausreichendem Einkommen in sogenannten Care-Berufen durch die Pandemie geworden.

Auch die Arbeitsbedingungen von Pflege im Minutentakt oder auch unmögliche Gruppengrößen in Kindergärten sind nun in Diskussion, weil sie zu erhöhten Dropout-Quoten von ausgebildeten Arbeitskräften führen. Bereits pensionierte Pflegekräfte, Kindergartenpädagog*innen, Lehrer*innen werden in den Erwerbsarbeitsmarkt zurückgeholt.

Die Krise des rasant wachsenden Mangels an Pflegekräften ist seit Jahren virulent, aber es gibt keine Aussicht auf die nötige Reform. Bis 2030 werden Berechnungen zufolge 75.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Handeln ist das Gebot der Stunde! Es bedarf der finanziellen Unterstützung der Ausbildung, aber um den Beruf attraktiv zu machen, brauchen die Beschäftigten entsprechend bessere Arbeitsbedingungen und wir schließen uns der Forderung der Volkshilfe an, ab sofort eine Gehaltserhöhung von 500 Euro monatlich in den Gesundheits- und Pflegeberufen auszuzahlen. Gleiches gilt für die Elementarpädagog*innen.

Digitalisierung verstärkt Aufspaltung

Während technologisierungs- und rationalisierungsaffine Berufe ungeachtet anderer Folgekosten „Einsparungspotentiale“ mit sich bringen, beibt der Care-Sektor kostenintensiv. Pfleger*innen lassen sich eben nicht automatisieren. Statt weiterhin auf Maximierung der Profite zu setzen sind die Sorgen der vielseitig Sorgenden in den Mittelpunkt zu rücken!

Die Arbeiterkammer rechnet vor: Das reichste Prozent verfügt in Österreich über rund 40 Prozent des gesamten Nettovermögens, während die Ärmeren 50 Prozent der österreichischen Haushalte gemeinsam gerade einmal 2,5 Prozent besitzen. Die knapp 4,5 Mio. unselbständig Erwerbstätigen (ohne Lehrlinge) erzielten 2020 ein mittleres Bruttojahreseinkommen von 30.257 Euro.

Die Einkommen der Frauen erreichten mit 23.390 Euro im Mittel nur 64,1 Prozent des Einkommens der Männer (36.465 Euro), wobei Frauen viel häufiger teilzeitbeschäftigt sind. Laut dem ATX (Austrian Traded Index) haben Manager am 9. Jänner 2022 (Fat Cat Day) das Jahresgehalt eines Beschäftigten verdient!

Bei dieser Berechnung wird die durchschnittliche Vorstandsvergütung der Vorstandsvorsitzenden in den 20 Unternehmen des Leitindex ATX verwendet. Spitzenreiter brauchen dafür überhaupt nur einen zu Tag arbeiten.

Hat ein Manager im Jahr 2003 noch das 24-fache eines mittleren Arbeitnehmers verdient, ist es heute schon das 64-fache. Als Einkommen der österreichischen Beschäftigten wird das Medianeinkommen laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger herangezogen.

Aber anstatt über eine entsprechende Vermögensbesteuerung und eine radikale Erwerbsarbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu diskutieren, denkt der Arbeitsminister über Kürzung des Arbeitslosengeldes nach. Die gewerkschaftliche Forderung nach Erhöhung auf 70 Prozent statt der 55 Prozent bleibt zur Freude der Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer unerfüllt.

Wirtschaften fürs Leben

Die Initiative „Mehr für CARE“ hat sich vor einem Jahr gegründet und ist bereits in einem Großteil der Bundesländer mit Initiativen vor Ort aktiv. Der Begriff ist dabei umfassend zu verstehen, dennoch wollen wir im laufenden Jahr einen Fokus auf die Bereiche Pflege, Gesundheit und Bildung legen.

Das feministische Konjunkturpaket im Ausmaß von zwölf Milliarden Euro fordert:
– Ein Zukunfts- & Bildungspaket im Ausmaß von fünf Milliarden Euro.
– Ein Pflegepaket im Ausmaß von vier Milliarden Euro.
– Ein Solidaritäts- & Lebensrettungspaket im Ausmaß von drei Milliarden Euro.

Care als Wirtschaftsbelebung

Da „Care“-Investitionen wie Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit laut Studien doppelt so viele Arbeitsplätze wie Investitionen in „Beton“ schaffen, würde dies auch die Wirtschaft beleben. Allein die Hälfte des vorgeschlagenen Paketes schafft 165.000 bis 180.000 neue Jobs: Das Kindergartenpaket von 2 Milliarden Euro würde 30.000 bis 45.000 Jobs schaffen, die Investitionen in Pflege rund 135.000 Arbeitsplätze.

Aufgrund des hohen Anteils von Löhnen und Gehältern sind die positiven volkswirtschaftlichen Nachfrage-Effekte dieser Investitionen höher als bei den bisherigen Maßnahmen der Regierung. Dazu kommen hohe Rückflüsse durch Steuern und Sozialabgaben, die sich auch für das öffentliche Budget rechnen. Zusätzlich verbessern diese Investitionen das Angebot an öffentlichen Leistungen, die alle Menschen nutzen können und tragen zu einem guten Leben für alle Menschen bei. Und: Diese Jobs sind „grüne Jobs“ mit geringem CO2-Ausstoß.

Mit Workshops auf lokaler Ebene aber auch gemeinsamen Aktionstagen startet die Initiative ins Jahr 2022. Weitere Informationen und Möglichkeiten zum Mitmachen gibt es auf mehr-fuer-care.at.

Heidi Ambrosch ist Frauensprecherin der KPÖ und Gründungsmitglied der Initiative Mehr für CARE

Foto: Solidarwerkstatt

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