Erkenntnisse aus einer Studie

Bianca Schrittwieser über Arbeitsbedingungen von Amazon-Paketzusteller*innen

Wichtige Einblicke in die Arbeitsrealitäten der Berufsgruppe der Paketzusteller*innen gibt die von der AK Wien geförderte qualitative Studie der WU Wien „Systemrelevant, aber unsichtbar. Arbeitsbedingungen migrantischer und geflüchteter Amazon-Zusteller*innen während der Covid-19-Pandemie“ von Judith Kohlenberger,  Milda Zilinskaite, Aida Hajro und Irini Vafiadis.

Sie befasst sich mit der Motivation, den Arbeitsbedingungen, der kollektiven Identität der Amazon-Zusteller*innen und den veränderten Arbeitsbedingungen durch die Pandemie. Die Zusteller*innen haben bei Subunternehmen gearbeitet, die von Amazon beauftragt wurden. Für die meisten stellte der Job als Zusteller*innen ihre einzige Einkommensquelle dar. Fast alle von ihnen waren in den letzten zehn Jahren nach Österreich gekommen.

Zentrale Erkenntnisse aus der Studie

Amazon lagert durch die Beauftragung von Subunternehmen die arbeitsrechtliche Verantwortung für die Zusteller*innen aus. Die Organisation über Subunternehmen verschlechtert die ohnehin prekären Arbeitsverhältnisse noch weiter. Im Rahmen der Coronakrise verschärfte sich die Arbeitsbelastung aufgrund des enormen Anstiegs an Bestellungen.

So berichtet beispielsweise ein Paketzusteller von seiner Arbeitssituation: „Früher war es nur um die Weihnachtszeit so und jetzt ist es durchgehend so. Früher hat es immer geheißen, ein bis zwei Monate durchhalten und dann war es vorbei. Aber jetzt ist es immer so“. Bei der Zustellung herrscht so hoher Zeitdruck, dass die vereinbarten Pausen nicht eingehalten werden können. Den Zusteller*innen bleibt oftmals nicht einmal genug Zeit, um auf die Toilette zu gehen.

Es werden weder Regelungen für Arbeitszeiten noch für Überstunden eingehalten. Die Unvorhersehbarkeit der Dienstpläne ist belastend. Die digitale Überwachung der Zusteller*innen ist zur Regel geworden. Insgesamt gaben alle Befragten an, sich nicht vorstellen zu können dieser Tätigkeit längerfristig nachzugehen.

Befund aus der AK- Arbeitsrechtsberatung

Das Kleintransportgewerbe findet sich seit einigen Jahren unter den Top 10 bei den persönlichen Beratungen in der AK Wien. Während der Corona Krise hat die Arbeitsrechtsberatung die Arbeitsbedingungen in der Branche, im speziellen jene der Amazon-Paktzusteller*innen, besonders intensiv unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Schilderungen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Studie decken sich mit den Erfahrungen aus der Beratung.

Ein häufiges Anliegen, mit denen sich Arbeitnehmer*innen an die AK gewandt haben war, dass Löhne nicht rechtzeitig, nicht in der richtigen Höhe oder gleich gar nicht ausbezahlt wurden. Der Druck durch die enorm hohe Anzahl an Paketen, die ausgeliefert werden müssen, ist immens. Eine 6-Tage-Woche ist die Regel und es fallen regelmäßig Überstunden an. Oft werden die Überstunden nicht bezahlt.

Die Arbeitnehmer*innen stehen unter einem hohen ökonomischen Druck. Viele haben Angst den Job zu verlieren oder befürchten, keinen mehr in der Branche zu finden, wenn sie sich beschweren. Jene Fälle, die dennoch in der AK Rechtsberatung landen, sind also sicher nur die Spitze des Eisberges.

Was muss sich ändern?

Haftung des Erstauftraggebers für die Löhne: Im Bereich der Paketzustellung wird ein Großteil der Aufträge an Subunternehmen und von diesen teilweise weiter an Sub-Subunternehmen vergeben. Dadurch entledigen sich die Erstauftraggeber ihrer Verantwortung. Die Haftung des Erstauftraggebers für die Löhne wäre eine wirksame Maßnahme, um die Subvergaben weniger attraktiv zu machen und die Verantwortung für die Bezahlung korrekter Löhne (wieder) dort anzusiedeln, wo die Hauptprofiteure dieses Systems sind.

Nachbesserungen beim Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping: Die Regierung hat im Sommer 2021 eine Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes beschlossen. Mit diesem Gesetz wurden vor allem die Strafen herabgesetzt. Das war leider kontraproduktiv. Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz muss dringend repariert werden.

Mehr Kontrollen

 Um Lohn- und Sozialdumping sowie Schwarzarbeit hintanzuhalten und den Arbeitnehmer*innenschutz sicherzustellen, muss mehr kontrolliert werden. Hierfür ist eine massive personelle Aufstockung der zuständigen Behörden (insbesondere bei Finanzpolizei und Arbeitsinspektorat) erforderlich.

Mehr Schutz vor Scheinselbstständigkeit: Wenn bei Scheinselbstständigkeit geprüft wird, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, sollen wirtschaftliche Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit stärker berücksichtigt werden.

Bianca Schrittwieser ist Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht der AK-Wien

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