FSG-Mehrheit betrachtet Magistrat als ihr Eigentum

Im April 2024 fanden Personalvertretungs- und Gewerkschaftswahlen bei den Gemeindebediensteten der Stadt Wien statt. Von den in etwa 73.000 Wahlberechtigten waren rund 31.000 in städtischen Krankenhäusern und Pflegeheimen beschäftigt. Die oppositionellen Bewegungen haben verloren, die Mehrheitsfraktion der FSG hat massiv dazu gewonnen. Der Stillstand bei den Bedingungen für die Berufe der Daseinsvorsorge ist damit zementiert. Wie konnte es dazu kommen?

Die Stadt Wien ist der größte Arbeitgeber in Wien und mehr als sieben Prozent der unselbstständig Beschäftigten arbeiten dort. Bei den Personalvertretungswahlen werden – analog zu den Betriebsratswahlen in privat geführten Betrieben – die Vertreter:innen der Beschäftigten gewählt. Neben den einzelnen Dienststellen sind die Wahlen in verschiedene Hauptgruppen unterteilt. Diese sind:
– HG I: Magistrat Stadt Wien inkl. Bildungspersonal etc.
– HG II: WiGeV (Wiener Gesundheitsverbund – Krankenanstalten und Pflegeheime)
– HG III: MA 31 Wiener Wasser, MA 44 Bäder Stadt Wien, MA 48 Abfallwirtschaft, sowie Friedhöfe Wien
– HG IV: Wiener Stadtwerke, Wiener Linien, Bestattung Wien
– HG V: Energie Wien
– HG VI: Wiener Netze
– HG VII: Pensionistinnen
– HG VIII: Kunst, Medien, Sport, freie Berufe

Die Gremien gliedern sich bei der Personalvertretung in den Dienststellenausschuss direkt im Betrieb, Hauptausschuss sowie Zentralausschuss. Bei der Gewerkschaft in Gewerkschaftsausschuss, Hauptgruppenausschuss sowie Landesvorstand und -konferenz. Wer sich ab jetzt noch auskennt – Chapeau! Heikle Themen werden von unten nach oben weitergereicht, wo dann eine FSG-Mehrheit sitzt, die mit Parteigenoss:innen im Rathaus verhandelt. Die Fraktion ist dabei wichtig, gewählte Organe abseits der Mehrheitsfraktion werden nicht gehört.

Personalvertreter:innen haben meist weniger Rechte als Betriebsräte – so haben sie keine Möglichkeit bei strategischen Entscheidungen der Betriebsführung Einsicht zu nehmen. Sie dürfen nur die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen überwachen.

Die Verhandlungen über die Bedienstetenordnung, die als Gesetz den Kollektivverträgen entspricht, finden im kleinen Kreis statt. Vertreter:innen in den Dienststellenausschüssen, möglicherweise abgesehen von den FSG-Fraktionierten, bekommen wenig Informationen. Teilweise wissen Vorgesetzte mehr über den aktuellen Verhandlungsstand als die gewählten Vertreter:innen im Betrieb. In Wien verhandeln schlussendlich FSG-Funktionär:innen mit SPÖ-Landespolitiker:innen über die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse.

Die FSG betrachtet die öffentlichen Betriebe in Wien nach wie vor als ihr Eigentum. Pünktlich zur Wahl hat die Younion (die ehemalige Gewerkschaft der Gemeindebediensteten) ein paar schon längst überfällige Zuckerl aus dem Sackerl gezaubert: So gibt es für alle Beschäftigten ein Gratis-Jahresticket für die Wiener Linien, Einspringdienste in der Pflege werden besser entlohnt sowie Zulagen erhöht.

Allgemeines Ergebnis

Von den 73.000 Wahlberechtigten sind vor allem die Beschäftigten in Hauptgruppe I und Hauptgruppe II interessant. Sie machen 87 Prozent der Wahlberechtigten aus. Die anderen Hauptgruppen sind damit eher von marginalem Interesse und vor allem lokale Besonderheiten machen Sinn.

Die Hauptgruppe I umfasst vor allem die Beschäftigten in der Verwaltung und im pädagogischen Bereich, die Hauptgruppe II die Beschäftigten der WiGeV – also der Wiener Krankenanstalten und Pflegeheime. Bei den Wiener Linien mit den öffentlichen Verkehrsbetrieben ist die Ausgliederung mittlerweile so weit fortgeschritten, dass in der Hauptgruppe IV nur mehr rund 8.000 Beschäftigte wahlberechtigt waren, das sind deutlich weniger als 2015.

Die Hauptgruppe I

In der Hauptgruppe I (Magistrat), also in der Stadtverwaltung (und Kindergärten usw.) konnte die FSG weiterhin die absolute Mehrheit verteidigen. Mit einem Plus von 3,25 Prozent sogar mit Stimmengewinnen bei einer von 30.000 auf 33.000 gestiegener Beschäftigungszahl aber geringerer Wahlbeteiligung (65 auf 60 Prozent). In der Verwaltung wurden also in den letzten fünf Jahren zehn Prozent mehr Beschäftigte aufgenommen. Diese wählen aber nicht alle die FSG, auch wenn diese Jobs oft parteipolitisch motiviert sind.

Insgesamt kann man sagen: In der Verwaltung gibt es scheinbar wenig Kritik, aber die Wahlbeteiligung ist deutlich gesunken. Eine hohe Anzahl an Listen ist angetreten. Das Phänomen ist ähnlich wie bei den AK-Wahlen. Die größte Oppositionsbewegung – die der AUGE kritisch nahestehende KIV/UG hat ein Drittel ihrer Stimmen verloren, während eine FSG-nahe Liste SoFair-FSG diese Verluste auffangen konnte. Diese Liste will weiterhin in der FSG bleiben, aber deutlich mehr Transparenz und Mitarbeiter:innen-nähe vermitteln. Es wird spannend sein, wie diese Liste dies in der eigenen Fraktion deutlich machen kann.

Die Hauptgruppe II

Auch im Wiener Gesundheitsverbund (WiGeV) konnte die FSG deutlich zulegen. Dies bei einer auf 43 Prozent gesunkenen Wahlbeteiligung. Vor der letzten Wahl hatte die sogenannte „Optierungsbewegung“ mit Kämpfen um Verbesserungen im Dienstrecht Oppositionslisten in den einzelnen Spitälern Auftrieb gegeben. Nach einem engagierten Start mit widerständigen Anträgen in den Gewerkschaftsausschüssen der einzelnen Krankenhäuser z.B. für mehr Personal, Arbeitszeitverkürzung, etc. wurden immer mehr Anträge im Instanzenweg abgelehnt, da es eine klare Mehrheit der FSG nach oben hin gibt.

Aber: Während die Beschäftigten in der Verwaltung etc. deutlich gestiegen sind, gibt es in Wien eine Stagnation bei den Beschäftigten in der Pflege und im ärztlichen Bereich. In der Pflege sind sogar weniger Beschäftigte als 2019 tätig, bei einem deutlichen Bevölkerungswachstum.

Bemerkenswert ist auch, dass im Pflegebereich nur 36 Prozent der Beschäftigten zur Wahl gegangen sind. Hier hat die Opposition deutlich versagt, eine Veränderung der prekären Arbeitsbedingungen auch in eine demokratische Unmutsäußerung zu kanalisieren. Bessere Bezahlung löst das Problem der Unterbesetzung in der Pflege nicht. Es gibt keine Debatte über verbindliche Personalschlüssel, diese werden nach wie vor von den Vorgesetzten festgelegt. Die Mehrheit der Personalvertretung schweigt dazu.

Klinikum Ottakring

Im Klinikum Ottakring kandidiert seit 2019 eine basisdemokratisch orientierte Initiative unter dem Namen Solidarität als Liste. Nach dem ersten Erfolg mit fünf Mandaten, ohne die Mehrheit der FSG brechen zu können, wurde ein weiterer Erfolg jedoch verpasst. Nun bleibt es bei drei Mandaten, während die Liste MUT (angeblich mit zum Teil abenteuerlichen Versprechungen wie Dienstplanbevorzugung, wenn man dabei ist und absolutem Kündigungsschutz für alle, die irgendwie bei der Liste dabei sind) punkten konnte.

Klinikum Floridsdorf

Im Klinikum Floridsdorf gab es nach der letzten Wahl 2019 eine Oppositionsmehrheit aus KIV, FCG, Ärzteliste und Liste Solidarität. Bei der Liste Solidarität waren maßgeblich Aktivist:innen des GLB dabei. In den letzten fünf Jahren konnten viele Initiativen für mehr Personal auf verschiedenen Stationen erreicht werden. Nun wurde als gemeinsame Liste von Solidarität und KIV kandidiert, mit dem Ziel, mindestens ein Drittel der Stimmen zu erreichen, um einen Beisitz in der Personalvertretung und damit auch mehr Informationen zu bekommen.

Bei der jetzigen Wahl hat die FSG wieder die absolute Mehrheit erreicht, mit 14 Mandaten weit vor der Opposition aus diesmal zwei Mandaten Ärzteliste und vier Mandaten KIV (gemeinsam mit Solidarität). GLB-Landesvorsitzender Patrick Kaiser hat einen Sitz erhalten, ein weiterer GLB-Aktivist ist mit Platz 5 leider nur Ersatzmandatar. Nun liegt es auch an uns, eine GLB-KPÖ-Präsenz in diesem Klinikum mit fast 3.000 Beschäftigten zu verankern und damit weitreichende Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen.

Gewerkschaftswahlen

Eine Besonderheit im öffentlichen Dienst sind die parallel zu den Personalratswahlen stattfindenden Gewerkschaftswahlen. Dabei werden Fraktionen gewählt und nicht, wie bei den anderen Gewerkschaften, die Basis der Betriebsräte delegiert. Dieses System begünstigt die Mehrheitsfraktion, da es natürlich leichter ist, eine absolute Mehrheit zu erreichen, und schränkt die Mitbestimmung alternativer Listen ein. Das Ergebnis: Die Liste Solidarität als basisdemokratische Initiative ist drittstärkste Fraktion, aber nur mit 4,14 Prozent geworden. Für den GLB bedeutet dies, dass man gemeinsam auch in den höheren Gremien der hierarchisch organisierten Younion kleine Erfolge erzielen kann. Kritische Stimmen sind notwendig, Veränderungen können nur durch deutlichen Widerstand erreicht werden!

GLB bei den PV-Wahlen

Der GLB war bei diesen Wahlen nur sehr marginal vertreten. Das muss sich ändern. Ein gemeinsames Auftreten wie z.B. mit „Pflege in Bewegung“ der KPÖ inklusive Vertretung in den Krankenanstalten ist notwendig und sinnvoll. Die oppositionellen Kräfte haben bei diesen Wahlen massiv verloren und die arbeitgebernahe FSG hat massiv gewonnen und damit ihre Deutungshoheit zementiert. Die oppositionellen Kräfte wurden teilweise marginalisiert oder sind an ihrer eigenen Anbiederung gescheitert. Wir werden dran bleiben und versuchen, eine gemeinsame Bewegung der Gesundheitsberufe für bessere Bedingungen voranzutreiben. Geplant sind Stammtische und Verteilaktionen.

Conclusio

Dank finanzieller Wahlzuckerl konnte die FSG bei den Personalvertretungswahlen große Gewinne einfahren. Die Arbeitsbedingungen z.B. in der Pflege wurden in den letzten fünf Jahren kaum thematisiert. Erst kürzlich wurde bekannt, dass das Pflegepersonal in den öffentlichen Wiener Spitälern trotz massiven Bevölkerungswachstums seit Jahren abgebaut wird.

Eine linke Alternative muss die prekären Arbeitsbedingungen thematisieren, die nicht durch „Schmerzensgeld“ in Form höherer Löhne beseitigt werden können. Damit die Beschäftigten bis zur Rente durchhalten und nicht nach wenigen Jahren ausgebrannt aus dem Beruf ausscheiden. Eine geringere Wahlbeteiligung in der Pflege zeigt, dass es so etwas braucht. Wir müssen jetzt gemeinsam für eine kommunistische Alternative eintreten, damit die Daseinsvorsorge politisch besser organisiert wird.

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