Führt Kinderbetreuung zur Zwangsarbeit?

Aufhorchen lässt die Wirtschaftskammer mit der Botschaft „Eine funktionierende Kinderbetreuung ist der Schlüssel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das kann Österreich hier von anderen Ländern lernen“ wozu konkret Frankreich, Schweden, die Niederlande, Dänemark und Portugal genannt werden.

Denn „Trotz Arbeitskräftemangel bleibt daher vielen nichts anderes übrig, als in Teilzeit zu arbeiten.“ (marie.wko.at) Konkret werden dazu fünf Punkte genannt: Ausreichend viele Kinderkrippen, lange Öffnungszeiten, eine Betreuung für drei Kinder, steuerliche Absetzbarkeit von Ausgaben für Kinderbetreuung und kein Tabu für Kinderbetreuung.

In Oberösterreich wird dazu sogar offene Kritik an der ÖVP-geführten Landesregierung geortet, wenn WKO-Chefin Doris Hummer mit Verweis auf den 2022 erzielten Budgetüberschuss des Landes „endlich einen Turbo für einen Lückenschluss bei der Kinderbetreuung“ und eine „strategische Umsetzung mit Unterstützung für die Gemeinden“ verlangt (OÖN, 8.7.2023).

Die zuständige Referentin der Landesregierung, LHStv. Christine Haberlander (ÖVP), befindet sich jedoch in punkto Kinderbetreuung ebenso im Schlafmodus wie bei der Spitalsmisere. Kein Wunder, vertritt doch die ÖVP ein völlig verzopftes Familienbild. Verdeutlicht hat das kürzlich ÖVP-Klubobmann Christian Dörfel.

Als SPÖ und NEOS im Landtag einen Rechtsanspruch auf kostenlose Kinderbildung ab dem ersten Lebensjahr verlangten meinte Dörfel wörtlich: „Der Rechtsanspruch ist der direkte Weg zur Zwangsarbeit junger Mütter, und das wollen wir nicht“. Denn damit steige letzten Endes der Druck auf junge Mütter, möglichst rasch wieder in den Berufsalltag einzusteigen“ und somit würde ein Rechtsanspruch zu einem „Auslaufmodell Familie“ führen. (Standard, 15.6.2023).

Nun brüstet sich zwar die ÖVP „Oberösterreich wird Kinderland Nr. 1“ (Unser Oberösterreich, 2/2023). In der Realität ist das führende Industrieland Oberösterreich in Hinblick auf die Kinderbetreuung – und damit Vollzeitbeschäftigung für Frauen – hoffnungslos abgesackt: „In Frankreich gehört es zum guten Ton, selbst sehr junge Kinder fremdbetreuen zu lassen. Auch in Dänemark ist es völlig normal, schon Babys in Betreuung zu geben. Das Gleiche gilt für die Niederlande“ konstatiert die Wirtschaftskammer. Solche Töne müssen in der ÖVP-Zentrale freilich als pures Ketzertum verstanden werden.

Laut Statistik Austria sind aktuell in Wien 42,0 Prozent der bis zu drei Jahre alten Kinder in einer Betreuungseinrichtung, in Oberösterreich aber nur 20,8 Prozent und nur die Steiermark liegt mit 19,9 Prozent noch schlechter. Bei den drei- bis fünfjährigen ist die Betreuungsquote zwar in allen Bundesländern sehr hoch – allerdings haben die Kinderbetreuungseinrichtungen in den ländlichen Regionen meist nur halbtags offen, sind also auf Teilzeitarbeit der Mütter ausgerichtet.

Die ÖVP brüstet sich Oberösterreich seit 2016 von Platz 61 auf Platz 19 der EU-Regionen gebracht zu haben (Kurier OÖ, 9.7.2023). Nun darf man gespannt sein, ob die von der ÖVP absolutistisch geführte Wirtschaftskammer imstande ist, „ihrer“ eigenen Partei klarzumachen, dass das Familienbild Marke Dörfel so gar nicht zu den großen Sprüchen vom Wirtschaftsstandort passt und in punkto Kinderbetreuung auch die hochprofitable Industrie in die Pflicht zu nehmen.

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