GLB für Solidarität und gegen Krieg

Die 180. Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer am 14. November 2023 stand ganz im Zeichen der Kämpfe in der Metallindustrie und beim Handel im Zuge der aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen.

Zu Beginn gab es ein Referat des ehemaligen Verfassungsrichters Rudolf Müller zum Thema „Verfassung und Sozialpartnerschaft“, wobei Müller anfangs gleich auf die Errichtung der ersten sozialstaatlichen Errungenschaften im Jahre 1918 hinwies.

Dies war möglich, da laut Müller Österreich von der ungarischen und bayrischen Räterepublik umzingelt war und revolutionäre Entwicklungen bei uns wohl verhindert werden sollten.

In einer dringlichen Resolution – die von den meisten Fraktionen, darunter auch vom GLB unterstützt wurde – nahm die Vollversammlung klar gegen Terror, Antisemitismus, Rassismus und Krieg Stellung. Oliver Jonischkeit und Patrick Kaiser bekundeten in ihren Reden die Solidarität mit den um ihre Löhne kämpfenden Kolleg:innen der Metallindustrie, des Handels und des Sozialbereichs.

Oliver Jonischkeit erinnerte an die Forderung des Gewerkschaftlichen Linksblocks, jene Milliarden, die für den Ankauf von Kampfpanzern, Drohnen und weiterem Kriegsgerät geplant sind, besser für die Daseinsvorsorge – etwa für die Pflege – auszugeben. Er forderte, endlich auch Vermögende an der Finanzierung des Sozialstaates zu beteiligen. Und es sei höchste Zeit für eine Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer.

GLB-Kammerrat Patrick Kaiser sprach sich gegen die Mehrklassenmedizin aus und forderte bessere Bedingungen für alle in der Pflege, aber auch bei der ärztlichen Versorgung und bei anderen Gesundheitsberufen.

Weiters ging Kaiser auf die Klimafrage und die weltweiten Konflikte ein. „Krieg ist kein Fußballmatch“, so Patrick Kaiser, der sich unter anderem für die bedingungslose Neutralität Österreichs aussprach. Stattdessen soll Österreich Räume für Friedensverhandlungen und Friedensgespräche schaffen.

Angenommen wurde ein GLB-Antrag, die Arbeiterkammer möge sich gegen die Zwei-Klassen-Medizin und -Pflege einsetzen sowie ein Antrag, das Schulstartgeld an die rollierende Inflation anzupassen.

Hingegen wurden die Anträge für eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie für eine Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer zugewiesen. Abgelehnt wurden Anträge für eine adäquate Kindergrundsicherung und für die Unterstützung jedes Arbeitskampfes, der bessere Arbeitsbedingungen und bessere Entlohnung fordert.

Die GLB-Anträge im Wortlaut:

Antrag 1: Für eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich

Die Profite der Unternehmen sind weiter hoch, wie schon in den vergangenen Jahren wurden auch 2023 Dividenden in Milliardenhöhe an Aktionäre ausbezahlt. Selbst bei den öffentlichen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge gibt es durch die Inflation höhere Steuereinnahmen, die zweckvermittelt in mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen investiert werden können.

Die Forderung nach einer nachhaltigen Arbeitszeitverkürzung bedeutet auch eine Entlastung für die Kollektivvertragsverhandlungen der Gewerkschaften. So können durch Verhandlungen und Aktionen weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreicht werden, ohne die Selbstverständlichkeit einer überfälligen Arbeitszeitverkürzung fordern zu müssen.

Die 180. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien fordert die Bundesregierung auf, eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu beschließen.

Antrag 2: Die AK Wien setzt sich gegen die Zwei-Klassen-Medizin und -Pflege ein

Bereits 2012 wurde in Österreich eine „Deckelung“ der Gesundheitsausgaben auf das BIP-Wachstum beschlossen. Dabei wurde nicht beachtet, dass es immer mehr ältere und auch multimorbide Menschen gibt. Die demographische Entwicklung richtet sich nur bedingt nach wirtschaftlichen Kennzahlen. Einsparungen bei Gesundheit und Sozialem bringen eher eine Verminderung der Lebenserwartung bei ärmeren Personen, was statistisch wahrgenommen werden kann (z.B. https://www.moment.at/weltgesundheitstageinkommenlebenserwartung). Auch wenn der Gesundheits-Deckel immer wieder ausgesetzt wurde, wächst die Gesundheits- und Pflegeversorgung trotzdem statistisch belegt nicht mit dem Bevölkerungswachstum mit.

Gleichzeitig warnen z.B. Gesundheitsexpert:innen in der Steiermark vor der Abwanderung der Leistungen in den privaten Bereich. In Österreich wurde in den letzten Jahrzehnten massiv an Spitalsbetten eingespart, auch während der Corona-Pandemie. Die übrigen bestehenden Betten können aufgrund von Personalmangel durch schlechte Arbeitsbedingungen oft nicht ausreichend bespielt werden, manchmal müssen ganze Abteilungen gesperrt werden. Auch in Wien ist derzeit fast ein ganzes großes Spital an Bettenäquivalenten, die gebraucht würden, nicht verfügbar.

Kassenärzt:innen können nur mehr Massenabfertigung bieten bzw. keine neuen Patient:innen mehr aufnehmen. Die Wartezeit auf Operationen oder Untersuchungen ist sehr hoch, so man nicht privat zuzahlt. Insgesamt zeigt sich eine deutliche Verschiebung hin zu einer Mehrklassenmedizin, bei der private Leistungen deutlich besser umgesetzt werden als öffentliche der Krankenkassen.

Auch herrscht in der Pflege großer Personalmangel, der nun durch Hilfsarbeitskräfte kompensiert werden soll. Diese Berufsgruppen sind kürzer ausgebildet und mit erweiterten Kompetenzen überfordert. Dequalifizierung und Dumpingpersonal fördert ein weiteres Ausbrennen bis hin zur Kündigung der Beschäftigten.

Die 180. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien fordert von der Bundesregierung deutlich mehr Mittel für Gesundheit und Pflege, um die bereits vorherrschende Zwei-Klassenmedizin und -pflege abzuwehren. Dazu braucht es deutlich mehr Mittel und hochqualifiziertes Personal in allen Bereichen, um die Versorgung zu verbessern!

Antrag 3: Für eine adäquate Kindergrundsicherung

In Österreich ist jedes 4. Kind von Armut betroffen. Rund 353.000 Kinder und Jugendliche (lt. Caritas) sind unmittelbar armutsgefährdet. Viele wachsen mit großen Einschränkungen ihrer Bedürfnisse im täglichen Leben auf, sind vielfachen Erniedrigungen sowie Ausgrenzungen ausgesetzt und in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung enorm gehemmt.

Die Grundbedürfnisse der Kinder dürfen nicht von den finanziellen Verhältnissen der Eltern abhängen! Langfristig bedeutet Bekämpfung von Kinderarmut auch die Bekämpfung von Armut der nachfolgenden Generationen.

Laut einer Studie der „Volkshilfe“ würde die Einführung einer Kindergrundsicherung (KIGr) für rund 1.536.000 Kinder unter 18 Jahren und ihren Familien eine längst notwendige sofortige materielle Erleichterung bedeuten. Die Bedürfnisse der Kinder stehen dabei im Mittelpunkt.

Anspruchsberechtigt sind alle Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre. Die Volkshilfe geht dabei von einem Grundbetrag („universelle Komponente“) in Höhe von € 285,00 (derzeit 200 Euro als Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag) monatlich für jedes Kind aus, plus einer einkommensgeprüften Komponente für Kinder aus armutsgefährdeten Haushalten von maximal 587 Euro (insgesamt also 872 Euro monatlich pro Kind).

Wir fordern die Ausweitung der Bezugsberechtigung der einkommensgeprüften Komponente auf Familieneinkommen unterhalb des Brutto-Medianeinkommens, denn bereits hier beginnt Armutsgefährdung, vor allem für Haushalte mit Kindern. Um eine Gleichstellung von Alleinerziehenden bezüglich Familieneinkommen zu gewährleisten, ist als Mindesteinkommen für die Bezugsberechtigung das eineinhalbfache Brutto-Medianeinkommen heranzuziehen.

Die 180. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien setzt sich für eine adäquate Kindergrundsicherung ein und fordert die Bundesregierung auf, eine solche einzuführen.

Antrag 4: Anpassung des Schulstartgeldes an die rollierende Inflation

Im Zuge der Valorisierung der Sozialleistungen wurde auch das Schulstartgeld um 5,8 Prozent erhöht. Allerdings liegt dieser Wert weit unter der aktuellen Inflationsrate, die im August 2023 für die vergangenen 12 Monate 9,71 Prozent betrug.

Unter Valorisierung versteht man im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Sachverhalten die Anpassung eines Wertes an die Teuerungsrate.

Das heißt, die von der Bundesregierung verkündete Erhöhung des Schulstartgelds ist, wenn man die Kaufkraft betrachtet, in Wirklichkeit eine Kürzung dieser Sozialleistung. Eine Wertsicherung findet jedenfalls nicht statt.

Durch die zu niedrige Inflationsanpassung wird der Kaufkraftverlust des Schulstartgeldes in die Folgejahre mitgenommen. Angesichts der anhaltenden Belastungen, denen Familien in Österreich aufgrund der weit über dem EU-Schnitt liegenden Inflationsrate ausgesetzt sind, ist dieses Sparen am falschen Platz durch die Bundesregierung völlig unverständlich, unsozial und volkswirtschaftlich unverantwortlich.

Die 180. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien fordert daher die Bundesregierung auf, für die rückwirkende Anpassung des Schulstartgeldes an die rollierende Inflation auf 9,71 Prozent vom Monat August 2023 zu sorgen.

Antrag 5: Unterstützung jedes Arbeitskampfes, der bessere Arbeitsbedingungen und bessere Entlohnung erfordert

Die Inflation explodiert, die Lohnentwicklung hinkt vor allem in bereits vorher schon nicht besonders gut bezahlten Bereichen der Daseinsvorsorge immer mehr hinterher. Dazu gehören neben Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich auch die Handelsangestellten, Bildungspersonal etc. Viele Menschen, gerade in so wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge, können sich immer weniger leisten. Es ist unbestritten, dass es in den vergangenen Jahren zu einem Reallohnverlust für fast alle Beschäftigten gekommen ist.

Selbst die Nationalbank unterstreicht in einer Studie durch die hinterherhinkenden KV-Abschlüsse einen Reallohnverlust im Durchschnitt von 3,7 Prozent für alle Beschäftigten. Noch mehr von diesem Verlust betroffen sind gerade Geringverdiener:innen. Damit diese Reallohnverluste wieder aufgeholt werden, braucht es offensive Forderungen der Gewerkschaften für eine Lohnerhöhung deutlich über der rollierenden Inflation. Die Gegenwehr der Arbeitgeberseite für reale Lohnsteigerungen ist im Moment allerdings offensichtlich.

Darum braucht es eine breite Unterstützung von offensiven Lohnforderungen, die nicht nur die vergangene Inflation abgelten, sondern auch die Reallohnverluste aufholen sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen bringen.

Gerade die Arbeiterkammer muss als „Parlament der Lohnabhängigen“ dafür einstehen, dass entsprechende Forderungen der Gewerkschaften wie z.B. aktuell eine 15 Prozent Lohnerhöhung plus 400 Euro bei den Verhandlungen zum SWÖ-Kollektivvertrag unterstützt werden.

Die 180. Vollversammlung der AK Wien bekundet ihre volle Solidarität mit allen entsprechenden Kampfmaßnahmen der Gewerkschaften, von Betriebsversammlungen bis zu Streiks, welche diese ergreifen, um Reallohnerhöhungen durchzusetzen.

Die 180. Vollversammlung der AK Wien beschließt die volle Unterstützung von Arbeitskampfmaßnahmen von Betriebsversammlungen bis hin zum Streik sowie gewerkschaftliche Urabstimmungen über Kollektivvertragsabschlüsse.

Antrag 6: Höchste Zeit für eine Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer

Bereits in der 173. Vollversammlung der AK Wien wurde in einer Resolution auf die Ungerechtigkeit unseres Steuersystems hingewiesen, in das die Arbeitnehmer:innen sehr viel einzahlen, während internationale Konzerne und sehr Reiche kaum Steuern zahlen und eine Millionärsabgabe sowie eine Erbschafts- und Schenkungssteuer (ab 1 Mio. Euro) gefordert.

Mit dem Hinweis, dass Österreich ein EU-Schlusslicht bei den Vermögenssteuern, aber ein Spitzenreiter bei der Vermögensungleichheit ist, wurde in der 174. Vollversammlung u.a. eine effektive Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften gefordert. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Inflation landen immer mehr Menschen in der Armutsfalle, können sich das Notwendige zum Leben wie Wohnung, Energie und Nahrung kaum mehr leisten.

Gleichzeitig fehlen die nötigen finanziellen Mittel beispielsweise in der Pflege, der Elementarpädagogik und anderen Bereichen der Daseinsvorsorge. Daher ist es höchste Zeit, die Bundesregierung aufzufordern, endlich durch die Einführung einer Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer (ab 1 Mio. Euro) für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Die 180. Vollversammlung der AK Wien fordert die Bundesregierung auf, die langjährige Forderung nach einer Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer (ab 1 Mio. Euro) umzusetzen und so zu mehr Steuergerechtigkeit beizutragen.

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