Kahlschlag bei Galeria

Es ist eine Art Hattrick: Drei Insolvenzen in dreieinhalb Jahren. Die letzte große deutsche Warenhauskette taumelt weiter am Abgrund: Galeria Karstadt Kaufhof (GKK).

In den vergangenen Jahren fielen knapp ein Drittel der ehemals 129 GKK-Standorte dem Kahlschlag zum Opfer, sprich dem „Sanierungsplan“ von Gläubigern und Insolvenzverwaltern. Allein im Januar 2024 schlossen 18 Filialen ihre Pforten. Kaufhäuser etwa in Berlin, Bielefeld, Darmstadt, Heidelberg, Stuttgart und Wuppertal. Derweil bestehen noch 92 Standorte – und auch deren Zukunft scheint ungewiss.

GKK ist Teil des verschachtelten Signa-Imperiums mit hunderten Gesellschaften des Tiroler Pleitiers René Benko. Dessen Flaggschiff Signa Holding und zwei wichtige Immobilien-Gesellschaften sind gleichfalls insolvent. Galeria gehört zur Signa Retail Selection AG mit Sitz in der Schweiz, die Ende November 2023 Gläubigerschutz beantragt und erklärt hatte, „ihr Portfolio liquidieren zu wollen“.

Chronik eines Bankrotts

Während des Corona-Lockdowns 2020 geraten diverse Wirtschaftszweige in Schieflage, einige gehen in die Knie, auch GKK. Eine erste Insolvenz übersteht der Konzern nach erfolgreichen Verhandlungen mit Gläubigern – und dank staatlicher Hilfen. Der Bund gewährt, noch zu Zeiten der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD, einen ersten Hilfskredit in Höhe von 460 Millionen Euro. Später unter der Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP legt die öffentliche Hand nochmals nach. Galeria erhält in summa Finanzhilfen von 680 Milli- onen Euro.

Eine Stabilisierung des Unternehmens bedeutete dies nicht. GKK hatte Ende 2022 abermals Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. Im März des Folgejahres war die Gläubigerversammlung bereit, dem Insolvenzplan zuzustimmen, machte damit den Weg frei für die Sanierung. Signa hatte dafür 200 Millionen Euro in mehreren Tranchen zugesagt, die ersten 50 Millionen im Februar dieses Jahres. Daraus wird nun nichts, GKK erklärte sich 2024 zum dritten Mal zum Konkursfall.

Unruhe in der Belegschaft

Belegschaftsvertreter:innen waren zuvor bereits skeptisch. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte den GKK-Vorstand vorsorglich in die Pflicht genommen. Wenn Signa die finanzielle Unterstützung nicht wie zugesichert leisten könne, müssten die Galeria-Manager vorbereitet sein, sagte Corinna Groß, Bundesfachgruppenleiterin Einzelhandel bei ver.di. Denn: „Die immer neuen Hiobsbotschaften bei Signa sorgen bei den Beschäftigten von Galeria für Unruhe. Sie wollen Jobsicherheit und eine plan- bare Perspektive.“

Die Warenhauskette hat in Deutschland mehr als 15.000 Beschäftigte, davon 12.500 Festangestellte, ferner Saisonkräfte. ver.di hat sich nach Bekanntwerden des dritten GKK-Insolvenzantrags gegen neue Standort-Schließungen ausgesprochen. „Die Filialstruktur ist schon extrem reduziert worden“, sagte ver.di-Vorstandsmitglied Silke Zimmer Anfang Januar.

Die neuerliche Zahlungsunfähigkeit sei für die Beschäftigten und ihre Familien absolut bitter, so Zimmer. Dabei hätte sich der Warenhauskonzern in den vergangenen Monaten durchaus konsolidiert. Auch das Weihnachtsgeschäft sei gut gelaufen. Zimmer forderte, „dass Galeria nach Möglichkeit als Ganzes erhalten bleiben muss.“ Dafür sei zuallererst eine deutliche Senkung der Mieten an einzelnen Standorten nötig. Wohlgemerkt: Mieten für Immobilien, die mitunter Benko gehören.

Neustart oder finales Aus

Galerias operativer Erfolg werde durch die Rahmenbedingungen der alten Eigentümerstruktur belastet, weiß GKK-Chef Olivier van den Bossche. Mehr noch, „die Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigen GKK massiv, behindern das laufende Geschäft und schränken durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen künftige Entwicklungsmöglichkeiten stark ein.“

Deshalb sei es ein „Befreiungsschlag“, Benkos Schatten endlich loszuwerden. Neu durchstarten will die Warenhauskette mit neuem Eigentümer. Stefan Denkhaus zufolge hätten mehrere Investoren Interesse bekundet, sagte der GKK-Insolvenzverwalter Mitte Januar: „Der Gläubigerausschuss berät über den strukturierten Investorenprozess, anschließend beginnen wir zügig mit den Verhandlungen.“

Für die Beschäftigten von GKK heißt das wohl nichts Gutes. Der Unternehmensberater Johannes Berentzen meinte laut Deutsche Presse- Agentur: „Mit der dritten Insolvenz wird ein Stück deutscher Handelsgeschichte zu Ende gehen.“ Es sei nicht zu erwarten, dass ein Investor GKK komplett übernehme; dafür müssten Hunderte Millionen Euro in die Hand genommen werden. In der Tat, wer setzt schon – von Filetstücken abgesehen – auf stationäre Warenhäuser im Zeitalter des Onlineshoppings. Kurzum, nach dem Insolvenz-Hattrick dürfte nur noch eins folgen – das finale Aus für das Gros der verblie- benen Filialen.

Oliver Rast ist Journalist der Tageszeitung „Junge Welt“

Cartoon: OÖN

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