Klassenorientierte Kraft will stärker werden

Die Arbeiterkammern genießen in Österreich ein besonders hohes Ansehen – mit 54 Prozent liegen sie beim aktuellen APA/OGM Vertrauensindex an dritter Stelle. Dies ist insbesondere auch auf den Rechtsschutz und Konsument:innenschutz und die ausgezeichnete Beratungstätigkeit zurückzuführen, die während der Corona Pandemie noch deutlich zugenommen und inzwischen kaum abgenommen haben. Was viele jedoch nicht wissen: alle fünf Jahre werden in allen Bundesländern die „Arbeiter:innenparlamente“, die Vollversammlungen der Arbeiterkammern, gewählt. Dabei entscheiden die AK-Mitglieder über die inhaltliche Ausrichtung der Arbeiterkammer.

Wie alles begann – ein Rückblick

1848 fand die Revolution der Bürgerinnen und Arbeiterinnen gegen den kaiserlichen Absolutismus statt. Während in Folge für die Unternehmerschaft Handelskammern mit Pflichtmitgliedschaft errichtet wurden, war die Forderung der Schaffung eines Arbeiterinnenparlamentes vergeblich. Im Jahr 1872 verlangt der Verein „Volksstimme“ vom „Reichsrat“ die Errichtung von Arbeiterkammern. Diese sollen, wie die Handelskammern ein Begutachtungsrecht für Gesetzesentwürfe bekommen, die soziale Lage erforschen und dokumentieren und das Recht haben, Abgeordnete in eine neue „Arbeiterkurie“ des Reichstags zu entsenden – wie die Handelskammern in die Unternehmerkurie. Die „Petition“ wird aber abgelehnt.

1887 fordert die Gründungsversammlung des „Allgemeinen Linzer Arbeitervereins“ die Errichtung von Arbeiterkammern, und auch ein Jahr später beim Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Hainfeld ist die Errichtung von Arbeiterkammern ein Diskussionspunkt.

Am 26. Februar 1920 war es endlich so weit – die konstituierende Nationalversammlung der jungen österreichischen Republik beschloss das erste AK-Gesetz. Die Arbeiterkammern wurden als gleichberechtigtes Gegenüber zu den schon Jahrzehnte bestehenden Handelskammern der Unternehmerinnen, den heutigen Wirtschaftskammern, geschaffen. 1921/22 fanden die ersten Wahlen in die AK Vollversammlungen statt – die zweiten 1926 – sie sollten die letzten bis 1949 sein.

1945 kam es dann zur Wiedererrichtung der Arbeiterkammern – am 20. Juli durch den Erlass eines Gesetzes der provisorischen Staatsregierung. Am 25. August tritt die konstituierende Vollversammlung der AK für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zusammen, ab dem 31. Dezember galt das AK Gesetz nach Zustimmung des Alliierten Rates für alle Bundesländer. Bei den ersten AK Wahlen 1949 war die Wahlbeteiligung mit über 80 Prozent noch sehr hoch.

1996 Mitgliederbefragung zur Pflichtmitgliedschaft

Nicht nur heute, sondern auch schon früher gab es immer wieder Versuche, die AK zu schwächen, beispielsweise durch eine Reduzierung der finanziellen Mittel. Unter dem Druck einer Anti-AK-Kampagne wird dabei auch die Pflichtmitgliedschaft hinterfragt. Weil aber Kammern ohne gesetzliche Zugehörigkeit ihrer Mitglieder nach österreichischem Recht nicht möglich sind, läuft die Forderung nach Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft letztlich auf die Abschaffung der gesetzlichen Interessensvertretung hinaus. Bei einer freiwilligen, von der AK initiierten Mitgliederbefragung sprachen sich 90,6 Prozent der Teilnehmenden dafür aus, dass die AK weiter die gesetzliche Interessensvertretung aller Arbeitnehmerlinnen bleibt.

Gewerkschaften und Arbeiterkammern

Der ÖGB mit seinen Gewerkschaften ist ein Verein, der auf freiwilliger Mitgliedschaft beruht und die Interessen seiner Mitglieder vertritt – gegebenenfalls auch mit Kampfmaßnahmen. Die Arbeiterkammern wiederum sind die gesetzliche Interessensvertretung (fast) aller Lohnabhängigen und leisten für die Gewerkschaften wertvolle Grundlagenarbeit. Neben den großen Bereichen Arbeitsrecht und Soziales beispielsweise auch im Bereich der Wirtschaftspolitik – mit wertvollen Studien zu den Entwicklungen der einzelnen Branchen, von Versicherungen bis hin zur Metallindustrie. Diese sind wertvolle Grundlagen – beispielsweise für die Kollektivvertragspolitik der jeweils zuständigen Gewerkschaften. Daher sind Arbeiterkammern und Gewerkschaften für die Arbeiter:innenbewegung von großer Bedeutung und bedingen einander gegenseitig.

Als gesetzliche Interessensvertretung beraten die Arbeiterkammern ihre Mitglieder, erwirken Rechtsansprüche, begutachten Gesetzesentwürfe und leisten, wie bereits erwähnt, Grundlagenforschung auch zu Einkommen, Wohnungspreisen, der Arbeitswelt u.v.m.

Wahlrecht: Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle

Wahlberechtigt sind fast alle unselbstständig Erwerbstätigen, die am Stichtag Mitglied der Arbeiterkammer waren. Lehrlinge, Personen in Karenz, geringfügig Beschäftigte, Arbeitslose, Präsenz- oder Zivildiener sind wahlberechtigt, müssen sich aber in die Wähler:innenliste eintragen lassen. Die Staatsbürgerschaft spielt dabei keine Rolle.

In größeren Betrieben werden eigene Betriebswahlsprengel eingerichtet. Wer einem dieser Sprengel zugeordnet ist, hat die Möglichkeit, im eigenen Betrieb zu wählen. Gibt es im Betrieb kein Wahllokal, so versendet die Arbeiterkammer automatisch eine Wahlkarte. Diese kann dann ausgefüllt per Post retourniert werden. Zudem werden allgemeine Wahllokale eingerichtet, hier können Besitzerinnen einer Wahlkarte auch alternativ zur Briefwahl ihr Wahlrecht ausüben.

Ausrichtung der Arbeiterkammern wird durch die Wahlen bestimmt

Neben einer hohen Wahlbeteiligung ist es daher wichtig, klassenorientierte Kräfte zu stärken – es geht darum, dass die Vollversammlungen der Arbeiterkammern als „Parlamente der Erwerbstätigen“ weniger der Sozialpartnerschaft, sondern vor allem den Interessen ihrer Mitglieder verpflichtet sein sollen. Um die Interessen der Konzerne und Unternehmerinnen kümmert sich ohnehin die Wirtschaftskammer ausreichend.

Der Gewerkschaftliche Linksblock tritt unter dem Motto „Konsequent für unsere Interessen“ auch 2024 in den meisten Bundesländern mit einem inhaltlichen 7-Punkte-Programm an. Darin finden sich die wichtigsten Forderungen zu den Themen Teuerung stoppen – keine Profite mit der Miete, Rauf mit Löhnen, Gehältern und Pensionen, zu den Themen Arbeitszeitverkürzung und Gesundheit, sowie zu den Bereichen Soziales und Jugend.

Der GLB fordert zudem als einzige Fraktion, dass jene Milliarden, die für Kampfpanzer, Drohnen und weiteres Kriegsgerät geplant sind, in die Daseinsvorsorge – z.B. in die Pflege – investiert werden sollen. Die großen Fraktionen (FSG, FCG) in der Wiener Arbeiterkammer haben einen entsprechenden Antrag des GLB abgelehnt – die Forderung bleibt natürlich aufrecht. Der GLB ist zurzeit in den Arbeiterkammern Wiens, der Steiermark, Oberösterreichs und Salzburgs mit Mandaten vertreten.

Die AK-Wahltermine:

  • 26.1.-8.2.: AK Salzburg, AK Vorarlberg
  • 29.1.-8.2.: AK Tirol
  • 4.-13.3.: AK Kärnten
  • 5.-18.3. AK Oberösterreich
  • 10.-23.4. AK Burgenland, AK NÖ, AK Wien
  • 16.-29.4.: AK Steiermark

Quelle: Volksstimme 12/2023

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