Kritik an der Sozialhilfe und deren Vollzugspraxis

Bei einer Informationsveranstaltung am 31. Jänner 2024 im Linzer Wissensturm informierte der GLB-Oberösterreich über die Sozialhilfe und legte seine Haltung zu diesem sensiblen Thema dar. Nach einem sehr informativen Vortrag von Iris Woltran (AK-Oberösterreich) diskutierten dazu Daniel Steiner (GLB-Arbeiterkammerrat und Betriebsratsvorsitzende des Sozialvereins B37) und Gerlinde Grünn (KPÖ-Gemeinderätin in Linz) dazu.

Daniel Steiner kritisierte dabei, dass die Regelung der Sozialhilfe auf ein Bundesgesetz und neun Landesgesetze aufgesplittert und daher höchst unterschiedlich geregelt ist. Der insbesondere in Oberösterreich sehr restriktive Vollzug führt zu zunehmenden Protesten, etwa mit einer Aktion von Sozialvereinen am 13. Dezember 2023 in Linz. Die Frage sei, ob das jetzige Gesetz reparierbar oder vielmehr ein gänzlich neues Gesetz notwendig sei. Aus heutiger Sicht war die vormalige Bedarfsorientierte Mindestsicherung besser als die jetzige Sozialhilfe, so Steiner.

Es gehe um den Umgang der Gesellschaft mit Armut und Armutsgefährdung. Ziel müsse daher sei, die Sozialhilfe mit der offiziellen Armutsgrenze von aktuell 1.392 Euro pro Monat armutsfest zu machen. Ein Aspekt dabei sei auch eine Kindergrundsicherung nach dem Modell der Volkshilfe. Steiner kritisierte auch, dass beim Arbeitslosengeld für Kinder pro Tag nur 97 Cent vorgesehen sind. Ein GLB-Antrag in der Wiener Arbeiterkammer für eine Kindersicherung sei leider kommentarlos gescheitert.

Die Politiker:innen berufen sich beim Vollzug auf Gesetze – die freilich von ihnen selbst gemacht wurden. Steiner kritisierte zunehmend von der Sozialbehörde verlangte Unterhaltsklagen von Betroffenen gegen ihre Eltern oder Kinder im Rahmen der Bemühungspflicht beim Bezug von Sozialhilfe und verlangte die ersatzlose Streichung solcher Klagen. Die Armut erscheine als urbanes Phänomen, bezeichnend sei aber, dass in Oberösterreich nur in fünf der 18 Bezirke Notschlafstellen für Obdachlose bestehen.

Steiner kritisierte weiter, dass der mit Unterstützung der Sozialhilfe erfolgte zweite Bildungsweg oder eine Pflegeausbildung mit einer stur praktizierten Pflicht zur Arbeitsaufnahme ab 18 Jahren vielfach verunmöglicht wird, obwohl dringend Fachkräfte gesucht werden. Es sei politisch gewollt den Druck auf Bezieher:innen von Sozialhilfe – und darüber hinaus auf solche die in Zukunft darauf angewiesen sein könnten – auszuüben, daher sei die Sozialhilfe in ihrer jetzt praktizierten Form ein Instrument der Repression und Disziplinierung. Steiner verwies in diesem Zusammenhang auch auf Vorstöße zur Senkung des Arbeitslosengeldes und der Lohnnebenkoste. Der GLB will daher gegen diese Entwicklung Überzeugungsarbeit in Arbeiterkammer und Gewerkschaften leisten.

Gemeinderätin Gerlinde Grünn verwies auf zwei Zugänge zum Thema: Einerseits Vorsprachen von Betroffenen, andererseits die Behandlung der Sozialhilfe im Gemeinderat und das Agieren der Sozialbehörde. Laut einer SPÖ-Anfrage im Landtag gibt es in Linz – auch gemessen an der Einwohnerzahl und der Zahl von Betroffenen – die meisten Beschwerden aller oberösterreichischen Bezirke über die Zuerkennung von Sozialhilfe.

Das Sozialamt des Linzer Magistrats weise einen unglaublich schlechten Umgang mit Betroffenen aus. Doch dem Bürgermeister und der Sozialreferentin sei das Wurst, so Grünn. Und weil Sozialhilfe eine Angelegenheit der Bezirksverwaltung ist, gäbe es auch kein Anfragerecht dazu im Gemeinderat. Allerdings zeigten Interventionen für Betroffene durchaus Wirkung.

Die Behauptung, das Gesetz verlange einen strengen Vollzug ignoriere den Ermessensspielraum der Behörde, der bewusst nicht genützt werde. Es gäbe einen geradezu kafkaesken bürokratischen Hürdenlauf, etwa wenn die Bestätigung von Gerichtsterminen verlangt wird, die aber von den Gerichten grundsätzlich nicht ausgestellt werden oder wenn verlangt wird einen Facharzttermin binnen einer Woche zu vereinbaren, was bekanntlich angesichts oft monatelanger Wartezeiten so gut wie unmöglich ist. Viele Antragsteller:innen hätten angesichts solcher Praktiken Angst Ansprüche zu verlieren.

Grünn berichtete, dass es bei der Linzer Budgetdebatte im Dezember 2023 zu einer heftigen Debatte über die Sozialhilfe kam, was von den verantwortlichen Politiker:innen freilich gar nicht gerne gehört wurde, denn sie wollen möglichst keine Öffentlichkeit darüber. Erfreulicherweise hätten jedoch einige Medien das Thema mit Darstellung besonders drastischer Fällen aufgegriffen, wodurch es Anzeichen für Veränderungen gäbe. Doch sei der Druck der Zivilgesellschaft weiterhin wichtig und auch die Arbeiterkammer müsste sich dazu einschalten, so Grünn abschließend.

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