Lehre in der Krise?

Andreas Auzinger zum Thema Berufsausbildung

Die Zahl der Lehrlinge geht zurück: Begannen 1980 noch 194.000 eine Lehre, waren es 2017 nur noch 106.000, die Zahl der ausbildenden Betriebe sank von 39.000 auf 28.000.

Ein Teil des Rückganges lässt sich durch die Privatisierungswut erklären, die Österreich in den 1980ern erreichte. Vor allem in der Industrie wurde ein Großteil der Lehrlinge in der ehemaligen Verstaatlichten ausgebildet.

Was die Lehre auch nicht attraktiver macht ist die Tatsache, dass viele Betriebe Lehrlinge als billige Hilfskräfte missbrauchen, was natürlich dann auch nicht gerade die Berufsschule und die Lehrabschlussprüfung leichter machen. Frei nach dem Motto: „Brauchst du einen billigen Arbeitsmann, schaff dir einen Lehrling an!”

Versuche die „Lehre mit Matura” aufzuwerten sind auch differenziert zu betrachten, da vielleicht ein höherer Bildungsabschluss möglich ist, aber auch nicht jeder bereit ist die Doppelbelastung zu tragen. Manche Ausbildungsbetriebe stellen ihre Lehrlinge auch nicht vor die Wahl, wer keine Lehre mit Matura machen will bekommt auch die Lehrstelle nicht.

Die oft als Allheilmittel gepriesene überbetriebliche Lehrausbildung ist auch keine Lösung. Man wird vom AMS zu verschiedenen Betrieben geschickt, die entweder auch nicht wissen was sie mit einem anstellen sollen oder jemanden als kostenlosen Hilfsarbeiter ausnutzen. So lernt man auch nicht wirklich etwas. Weiters gibt es bei der überbetrieblichen Ausbildung auch die gegenüber Erwerbslosen übliche Schikane, die gegenüber Jugendlichen noch einmal verschärft wird.

Was auch dazu beiträgt, dass die Lehrausbildung von immer weniger Jugendlichen erwogen wird ist das tiefe Durchdringen der neoliberalen Ideologie in unserer Gesellschaft, wonach es jeder an die Spitze schaffen kann – JEDER, aber nicht ALLE.

Dass man von jedem Job ordentlich leben können soll ist bei weiten Teilen der Bevölkerung zur weltfremden Utopie geworden. In eine weiterführende Schule soll man unbedingt gehen. Nicht etwa, weil man einen gewissen beruflichen Weg einschlagen will, sondern da andererseits später im Leben eine ordentliche Entlohnung völlig undenkbar sei.

Bei vielen Branchen wie dem Handel oder dem Tourismus sind die Beschwerden über die fehlenden Lehrlinge seitens der Unternehmer*innen heuchlerisch, die Probleme sind hausgemacht. Wenn unbezahlte Überstunden oder mehrere Wochen lang samstags zu arbeiten die Regel sind, macht man sich auch sicher nicht beliebt bei Jugendlichen. Bei diesen Branchen kommt erschwerend hinzu, dass es meist nicht genug Lehrlinge gibt, um einen Jugendvertrauensrat zu gründen oder wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, gibt es bei jugendspezifischen Problemen oft eine Hürde diesen aufzusuchen.

Wie kann man nun mehr Lehrplätze schaffen? Wie die Vergangenheit gezeigt hat, bildet der freie Markt zu wenig aus, deswegen sollte der Staat Österreich mehr Lehrstellen in den verbliebenen staatlichen Unternehmen schaffen. Und das was wir als linke Gewerkschafter*innen für alle Lohnabhängige fordern, etwa mehr Gehalt und die sechste Urlaubswoche für alle, würde auch die Lehre attraktiver machen.

Andreas Auzinger ist Einzelhandelskaufmann bei Hellweg in Ried im Innkreis und Mitglied des erweiterten GLB-Bundesvorstandes

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