Nicht genügend

Paul Kimberger, Chef der Lehrergewerkschaft, ließ aufhorchen, als er nicht weniger als 3.000 mehr Sonderpädagog:innen für Österreichs Schulen forderte. Der Mangel an Unterstützungspersonal ist wesentlich für die Misere inklusiver Bildung in Österreich verantwortlich.

Denn die Bundesregierung verpasste der Bildung für Kinder mit Beeinträchtigung einen willkürlichen Deckel, indem der Bund nur für 2,7 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) Geld aufwendet (dies geht auf eine über 30 Jahre alte Regelung zurück). In ganz Österreich gibt es aber durchschnittlich 5,1 Prozent Kinder mit Förderbedarf – die Mittel reichen also nur für ca. knapp die Hälfte des Bedarfs.

Die Länder müssen den Fehlbetrag ausgleichen, was aber nicht geschieht, weil teilweise Kürzungen vorgenommen wurden. Die chronische Unterfinanzierung wirkt sich negativ auf die Qualität aus, immer weniger Lehrer:innen möchten in solch schwierigen Situationen integrativ arbeiten. Daher muss der Mittelaufwand bei den Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern unbe- dingt berücksichtigt werden.

Die Praxis der Zuerkennung ist länderweise höchst unterschiedlich. Überhaupt ist es kritisch zu sehen, dass die Vergabe von Ressourcen an das Label SPF geknüpft ist. Eine weitere Diskriminierung besteht darin, dass Kinder mit Beeinträchtigung einfach von der Ausbildungspflicht bis 18 Jahren ausgenommen sind. Während für alle anderen Jugendlichen gilt, dass sie nach Beendigung der Schulpflicht eine weiterführende Schule besuchen oder eine Lehre beginnen dürfen. Und das, obwohl Kinder mit Beeinträchtigung großteils mehr Zeit fürs Lernen, ihre Entwicklung und Nachreifung benötigen als Jugendliche ohne Beeinträchtigung.

Ohne Ausbildung sind Jugendliche ohne Beschäftigung daheim oder in einer Tageswerkstätte, wo sie nur ein Taschengeld statt Lohn erhalten. Derzeit sind in Österreich 140.000 Jugendliche ohne Beschäftigung oder Ausbildung – wie viele davon mit Beeinträchtigung sind, ist nicht erhoben.

In Bundesländern, wo es keine gute berufliche Qualifizierung für Jugendliche gibt, ist es umso schwieriger einen Arbeitsplatz zu finden. Ihre Eltern müssen das 11. und 12. Schuljahr extra beantragen, Schulerhalter und Schulbehörde müssen dem zustimmen. Gerade in Wien werden viele Anträge abgelehnt. Derzeit laufen daher eine Verfassungsklage und eine Bürgerinitiative für das Recht auf das 11. und 12. Schuljahr.

Der Monitoringausschuss überwacht die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK), die Österreich 2008 ratifiziert hat, jedoch bis heute nicht verwirklicht ist. Er stellte Rückschritte in der Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigung in der Bildung fest. Im Prüfbericht kommt er zum drastischen Urteil: „Insgesamt zeigt sich eine kontinuierliche Verletzung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen im Bereich Bildung.“

Sondersysteme werden aufrechterhalten und sogar ausgebaut, anstatt für inklusiven Unterricht zu sorgen, zu dem sich Österreich verpflichtet hätte. Der Anteil der Schüler:innen mit Beeinträchtigung in Regelschulen gehe sogar zurück.

Die Untätigkeit der Regierung betreffe alle Bildungsbereiche, so der Monitoringausschuss: „Die enormen Mängel inklusiver Bildung finden sich nicht nur im Bereich Schule. Sie zeigen sich zum Beispiel auch in der Elementarpädagogik und dem Studium. Auch hier bestehen keine konkreten Pläne bezüglich der Sicherstellung inklusiver Bildung auch im internationalen Kontext.“

So müssen Kinder mit Beeinträchtigung und deren Eltern oft Jahre auf einen Kindergartenplatz warten, weil es keinen Rechtsanspruch gibt: Zu wenige Plätze, zu wenig qualifiziertes Personal. Auch an individueller Assistenz oder mobiler Unterstützung (z.B. Ergotherapie) mangelt es. Den Kindern werden so soziale Kontakte und Lernmöglichkeiten verwehrt.

Es ist zu hoffen, dass gewerkschaftliche Kämpfe und lauter werdende Proteste wie der „Aktionstag für Bildung – Schule brennt!“ aufrütteln. Die Pflichtschullehrer:innen planen einen Streik für den Herbst. Die politisch Verantwortlichen müssen Chancengleichheit in der Bildung, eine echte Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigung und somit ihre Teilhabe und Inklusion in der Gesellschaft ermöglichen.

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