Nicht ohne einen Plan B

Georg Erkinger zur Forderung nach einem Mindestlohn

Wenn ein SPÖ Kanzler im „Plan A“ die Einführung eines Mindestlohnes von 1.500 Euro verkündet, braucht es dringend einen Plan B, damit tatsächlich ein Mindestlohn kommt.

Wir schreiben das Jahr 2017. Die SPÖ stellt mit Christian Kern den Bundeskanzler. Er fordert einen Mindestlohn von 1.500 Euro, die Forderung des ÖGB liegt damals bei 1.700 Euro. Und Kern drängt auf eine Einigung noch im Jahr 2017. Sollten die Sozialpartner dies nicht zustande bringen, droht er mit einer gesetzlichen Regelung. Dabei ist das Problem nicht gerade klein. Rund zwölf Prozent der in der Privatwirtschaft Beschäftigten verdienen damals weniger als die geforderten 1.500 Euro. Zwei Drittel davon übrigens Frauen.

Tatsächlich, der Druck auf die Sozialpartner scheint zu wirken. Mitte 2017 verkündet man die Einigung, eine schrittweise Einführung auf kollektivvertraglicher Ebene bis 2020.

Im zweiten Aufguss des Plan A erwähnt die SPÖ anlässlich der im Herbst 2017 stattfindenden Nationalratswahl ihren angeblichen Erfolg im Kampf gegen Niedriglöhne: „Daher haben wir uns für den Mindestlohn stark gemacht – und das mit Erfolg. Die Sozialpartner haben sich auf einen Mindestlohn von 1.500 Euro für alle geeinigt. Wir bleiben dran, dass der 1.500 Euro Mindestlohn auch für alle eingeführt wird.“

Danach vollzieht sich ein von vorangegangenen Einigungen bekanntes Schauspiel. Die Bemühungen der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes scheitern. Doch warum gelingt in Österreich nicht, was in anderen europäischen Ländern möglich ist?

Nach der Pfeife der WKO

Dem reflexartigen und erwartbarem Aufschrei der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung gegen eine Anhebung der niedrigsten Löhne im Land folgt eine bewährte Verhandlungsstrategie. Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer Österreich formuliert damals in der „Presse“ er wolle sich „Gesprächen über eine schrittweise Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne nicht verschließen“, sagt aber zur Vorgangsweise „Wenn wir uns dem Thema nähern, dann würden wir den gleichen Weg wählen wie 2007. Es ist dies der Weg der Nichteinführung eines flächendeckenden Mindestlohnes von damals tausend Euro.“

2007 gab es eine Generalvereinbarung der Sozialpartner zur Einführung eines kollektivvertraglichen Mindestlohnes von tausend Euro. Und hier treffen die Interessen der Wirtschaftskammer auf jene der sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionär*innen. Bernhard Achitz, ehemals leitender Sekretär des ÖGB lehnt wie die Wirtschaftskammer einen gesetzlichen Mindestlohn ab und plädiert 2017 in der Presse das Thema behutsam anzugehen.

Die Nichtumsetzung

Ende Juni 2017 verkündet man die Einigung der Sozialpartner auf eine Generalvereinbarung zu einem Mindestlohn von 1500 Euro. Danach wird es von Sozialpartnerseite still um das Thema. Obwohl die Einigung auch von der Wirtschaftskammer öffentlich verkündet wurde, unterschreibt sie diese zunächst nicht und spielt auf Zeit.

Zwei Wochen nach der Nationalratswahl berichtet „Der Standard“ Ende Oktober 2017 darüber, dass die Generalvereinbarung noch immer nicht unterschrieben ist. Statt den Widerstand zu organisieren, herrscht Schweigen von Seiten sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionäre. Ein gesetzlicher Mindestlohn wird von ihnen nach wie vor abgelehnt. Ja sogar mit einem Generalkollektivvertrag über mehrere Branchen kann man sich nicht anfreunden. Und so wieder- holt sich das Schauspiel von 2007.

Die Verhandlungen werden auf die Branchenebene verlagert. Und genau dort, wo die Entlohnung am schlechtesten ist, sind es (wenig verwunderlich) auch die gewerkschaftlichen Organisierungsgrade. In Minischritten nähern sich einzelne der rund 850 verschiedenen Kollektivverträge den 1.500 Euro an, deren Wert über die Jahre längst weg inflationiert wurde.

Eine Bestandsaufnahme

Gemäß Sozialpartnereinigung hätte der Mindestlohn bis 2020 umgesetzt sein sollen. Im Sommer des letzten Jahres macht die PRO-GE eine Bestandsaufnahme für ihren Bereich. In 31 Kollektivverträgen lag der Mindestlohn unter 1.500 Euro, neun Rahmenkollektivverträge enthielten keinen Mindestlohn und 85 Kollektivverträge lagen exakt drei Jahre nach verkündeter Einigung über der Vereinbarung.

Die tatsächlichen KV-Mindestlöhne lagen teilweise drastisch unter dem vereinbarten Mindestlohn, in der Ledererzeugenden Industrie etwa bei gerade einmal 1.301 Euro. Auch in anderen Teilgewerkschaften gibt es Probleme. So werden nicht alle KVs regelmäßig verhandelt und damit die KV-Löhne und -Gehälter über Jahre nicht erhöht. Der steirische KV für Rechtsanwaltsangestellte etwa stammt aus dem Jahr 1992 und legt ein Mindestgehalt von 10.000 Schilling fest.

Daneben gibt es Arbeitsverhältnisse, für die aus rechtlichen Gründen keine KVs verhandelt werden, wo dies aber dringend nötig wäre. Der ganze Bereich der freien Dienstnehmer, etwa viele Fahrradbot*innen, sind hier zu erwähnen.

Die GLB-Formel als Plan B

Der GLB fordert einen gesetzlichen und damit flächendeckenden Mindestlohn von 15 Euro in der Stunde. Dieser soll steuerfrei und wertgesichert sein. In Kombination mit der angestrebten 30-Stundenwoche würde dies bei einer Vollzeitanstellung rund 1.950 Euro im Monat bedeuten.

Georg Erkinger ist GLB-Bundesvorsitzender und Arbeiterkammerrat in der Steiermark

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