Odyssee von Ungerechtigkeiten

Karin Antlanger und Stefanie Breinlinger im Gespräch

Nach 25 Jahren Übergangszeit wird ab 2024 das Frauenpensionsalter schrittweise auf jenes der Männer erhöht. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bemängelte zwar das unterschiedliche Pensionsantrittsalter, verwies aber auch darauf, dass bei „der Reparatur“ die Ungleichbehandlung der Frauen bei Erwerbs- und Reproduktionsarbeit mitberücksichtigt werden muss.

Josef Stingl hat die ehemalige GLB-Vorsitzende Karin Antlanger und die oö GLB-Vorsitzende Stefanie Breinlinger zu dieser Odyssee interviewt.

Karin: Ziel der politischen Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses waren in erster Linie Einsparungen im Pensionssystem, denn angeblich müsse der Staat für die Pensionen zu viel aufwenden. Verschwiegen wird, dass zwar die Beamt*innenpensionen mit eingerechnet werden, aber der Bund für die Beamt*innen nicht ins System einbezahlt, sondern nur Rückstellungen macht. Auch gab es immer wieder „Aktionen für einen früheren Pensionsantritt“, etwa für Lehrer*innen, um „teureres“ Personal loszuwerden.

Das Argument, dass Beamtinnen immer schon bis 65 arbeiten mussten, ist unzulässig. Deren Pensionen sind weit höher und sie sind nicht von Arbeitslosigkeit bedroht. ASVG-versicherte Frauen hingegen, die ab 50 arbeitslos werden, bleiben meist langzeitarbeitslos, was ihre Pension erheblich reduziert. 

Stefanie: Was ich mitbekomme, ist, dass viele Kolleginnen wegen der Abnahme der Belastbarkeit im zunehmenden Alter und gesundheitlicher Probleme die Altersteilzeit nutzen. Sie brauchen längere Erholungsphasen als Übergang in die Pension. Insgesamt hat sich die sozio-ökonomische Benachteiligung von Frauen nicht verringert. Durch Corona kamen alte Rollenmuster sogar wieder verstärkt zum Tragen.

Die geringere Entlohnung von Frauen wirkt sich negativ auf ihre Erwerbsbiografie aus. Nach der Karenz kommt oft der Karriere- knick, Frauen verdienen dann lang- fristig weniger als vorher. Im länd- lichen Raum zwingt der Mangel an Kinderbetreuung und Ganztages- schulen Frauen häufig in ungewollte Teilzeit-Beschäftigung. Und obwohl es seit 30 Jahren die Väterkarenz gibt, nutzen diese nur zwei Prozent für drei bis sechs Monate, nur ein Prozent der Väter geht länger als sechs Monate in Karenz. AMS-Chef Kopf fordert nun flächendeckende Ganztages-Kinderbetreuung, weil Fachkräfte fehlen.

Karin: Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten etwas getan hat, ist die Gleichbehandlung der Geschlechter in der Arbeitswelt noch lange nicht erreicht. Dies ist nicht nur ein Arbeitgeber*innen-, sondern auch ein gesellschaftliches Bewusstseinsproblem. Viele Frauen arbeiten oft lange nur in Teilzeitverhältnissen.

Einerseits mangels ausreichender ganztägiger Kinderbetreuungsangebote, andererseits wird ihnen eingeredet, sie wären schlechte Mütter, wenn sie die Kinder nicht selbst betreuen. Gleichzeitig führt der gesetzliche Anspruch auf Elternteilzeit dazu, dass viele Jobs nur noch mit einer geringen Stundenanzahl ausgeschrieben werden, da es sich nur um die Reststunden der Elternteilzeitjobs handelt.

Wenn nun Frauen bis 65 arbeiten müssen, kann dies zu mehr Bei- tragszeiten und höheren Frauen- pensionen führen, aber auch zu noch längerer Altersarbeitslosigkeit und noch geringeren Pensionen.

Stefanie: Wichtige Schritte dagegen sind die bessere Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten und Zeiten häuslicher Pflege, sowie (finanzielle) Anreize für eine gleichberechtigte Kinderbetreuung. Ebenso die Aufwertung typisch weiblicher Branchen, die „Systemerhalterinnen“ aber schlecht bezahlt sind. Es fängt schon an mit Frauenförderung bei Ausbildung und Berufswahl. Das kapitalistische Wirtschaftssystem beruht darauf, dass Frauen überwiegend die unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten.

Karin: Die Aussetzung der Angleichung des Pensionsantrittsalter, bis die Geschlechter-Ungleichbehandlungen der Vergangenheit angehören ist ein Wunsch ans Christkind. Denn mit unseren Gewerkschaften sind leider keine Protestbewegungen machbar, wie es sie aktuell etwa in Frankreich gibt.

Leichter machbar ist das Beseitigen vieler Benachteiligungen von Frauen z.B. beim Zugang zu Ermäßigungen: So bekommen Frauen, die mit 60 in Pension gehen (müssen) das billigere Klimaticket erst mit 65, müssen also mit eh schon geringeren Pensionen als Männer fünf Jahre lang höhere Tarife zahlen. Gerecht wäre es, wenn alle Menschen mit gültigem Pensionsbescheid Anspruch auf Ermäßigungen hätten.

Und, ich bin für eine gesetzliche Verpflichtung zur Teilung der Elternkarenz für beide Elternteile. Das würde dann rasch dazu führen, dass diese Karenzzeiten besser für die Pensionen angerechnet werden.

Karin Antlanger war Sozialarbeiterin und Betriebsratsvorsitzende bei EXIT-sozial Linz

Stefanie Breinlinger ist Sozialarbeiterin bei FAB Linz und GLB-Landesvorsitzende OÖ

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