„Reine Ausbeuterei“

Josef Stingl über Milliardenprofite durch Ungesetzlichkeiten

Amazon ist wieder einmal in den Schlagzeilen. Nicht weil dort syrische Flüchtlinge Karriere als Instruktor machen können, auch nicht, weil Amazon bis 2040 CO2-neutral sein will. Vielmehr gibt’s einmal mehr Schlagzeilen rund ums Großebersdorfer Verteilerzentrum des US-Internethandelsgiganten.

Dort fand vor einem Jahr eine Razzia der Finanzpolizei statt, nun wurden die Ermittlungsergebnisse veröffentlicht. Insgesamt 987 Beanstandungen, darunter Schwarzarbeit und Abgabenhinterziehung bei Amazon-Dienstleister*innen. Laut Finanzpolizei wurden schon an Ort und Stelle zahlreiche Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt, etwa gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz.

In Folge, bei der Prüfung der sichergestellten Fahrerlisten und Auftragsbücher, kamen noch zahlreiche Verstöße zu Tage: „Ich kann mich an keine Kontrolle erinnern, bei der wir auf derartig viele Gesetzesübertretungen gestoßen sind. Bei korrekten Beschäftigungsverhältnissen geht sich die Kalkulation fast nicht aus“, sagte der Leiter der Finanzpolizei gegenüber der APA.

Zwar unterhält Amazon-Österreich offiziell nur 13 direkte Vertragspartner*innen. Die Entwirrung des Gefechts an Unternehmen, Sub- und Sub-Subunternehmen ergab allerdings, dass sich dahinter ein Konvolut von 96 Sub- und 24 Sub-Sub-Firmen mit über 2.600 Beschäftigten versteckt: 687 davon teilzeitbeschäftigt und 237 geringfügig beschäftigt.

Eine lange Liste

468 Übertretungen nach dem ASVG, 144 Übertretungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, zwölf Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, drei Übertretungen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sowie eine Übertretung der Gewerbeordnung. Darüber hinaus wurde in 96 Fällen Sozialleistungsbetrug zur Anzeige gebracht und 195 Kontrollmeldungen ans Arbeitsmarktservice (AMS), 68 Kontrollmeldungen an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) empfohlen, sowie 18 Anregungen auf Durchführung von Betriebsprüfungen gemacht.

Dazu passend ein Bericht von MOMENT: Zwei syrische Flüchtlinge bezeichnen darin ihre „Karriere“ als Paketzusteller bei einem Amazon-Subunternehmen als „reine Ausbeuterei“ mit extremer psychischer und körperlicher Belastung. Die Arbeitsrechte werden dabei mit Füßen getreten: Mit 12-Stundentagen, Samstagarbeit und unbezahlten Überstunden.

Dafür gibt es monatlich rund 1.600 Euro netto an Lohn – allerdings nur zwölfmal im Jahr und nicht im Krankheitsfalle. Denn ein nicht unbeträchtlicher Teil dieses Nettobetrages sind die gesetzlichen Tagesdiäten-Zahlungen für Arbeit außerhalb des Firmensitzes. Und Krankenstand hat allerdings ohnehin Seltenheitswert, denn die Angst gekündigt zu werden ist groß.

Corona-Verschärfung

Lockdown Eins, Zwei und Drei lassen das Versandgeschäft boomen. Die Pakete werden immer mehr, mit ihnen steigt auch die benötigte Arbeitszeit für die Auslieferungen. Unverändert bleiben allerdings Beschäftigungszahlen und der Lohn – die Paketzusteller*innen sind die Angeschmierten.

Wer verdient dann an dieser Versklavungsszenerie? Die Besitzer*innen der Subunternehmen? Nein, auch sie hängen nur am Gängelband Amazons. Nur Amazon selbst verdient daran kräftig: Einerseits durch die (weltweit) miesen Arbeitsbedingungen und andererseits durch das vermehrte Bestellaufkommen. So vermeldete der US-Konzern im dritten Quartal des Vorjahres, dass sich der Gewinn auf 6,3 Milliarden Dollar verdreifachte.

Josef Stingl ist stellvertretender Bundesvorsitzender des GLB

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert