Teuerung – Was tun?

Die Inflationsrate geht nach Rekordwerten langsam zurück: Das WIFO prognostiziert nach 7,7 Prozent heuer vier Prozent für 2024. Doch das bedeutet nicht, dass das Preisniveau sinkt. Davon sind insbesondere das untere Einkommensdrittel und Frauen betroffen, deren Ausgaben für Wohnen, Energie und Nahrung explodiert sind.

Nach einer Rekordinflation von 8,6 Prozent im Jahr 2022 wird die Teuerung heuer bei ca. 7,7 Prozent liegen. Die Effekte sind insbesondere bei den Grundbedürfnissen Wohnen, Energie und Nahrung eklatant. Wohnen und Energie sind zwischen Mai 2021 und August 2023 um 27 Prozent teurer geworden, Nahrungsmittel um 24 Prozent.

Unser Lohnsystem gleicht diese Teuerung erst im Nachhinein aus, da sich die KV-Verhandlungen auf die rollierende Inflation beziehen – dem Durchschnitt der letzten zwölf Monate. Die Inflationsrate lag im September 2022 bei 10,6 Prozent, die Metaller:innen verhandelten über 6,3 Prozent und schlossen mit 7,4 Prozent ab. Im September 2023 betrug die Inflation 6,1 Prozent, die rollierende Inflation aber 9,6 Prozent. Nur bei einem Abschluss über diesem Wert können Reallohnverluste aufgeholt werden.

Für das untere Einkommensdrittel waren die letzten zwei Jahre herausfordernd. Ärmere Haushalte haben kaum Sparpolster. Die Teuerung führt zu Konsumeinschränkung und unbezahlten Rechnungen. Einmalzahlungen der Regierung und Indexierung von Sozialleistungen – das Arbeitslosengeld wurde aber nicht angepasst – haben die niedrigsten Einkommen etwas gestützt. Die inflationsbedingten Mehrausgaben beliefen sich für das unterste Einkommenszehntel zwischen Mai 2021 und Juli 2023 auf 25 Prozent des Haushaltseinkommens. Der größte Brocken dabei sind gestiegene Wohn- und Energiekosten. Besonders hart betroffen sind Alleinerzieherinnen, die 2,4-mal mehr dafür ausgeben müssen als ein Durchschnittshaushalt.

Armutsbedrohung steigt

Ein genaues Bild über die gestiegene Armut fehlt. Die klassischen Armutsindikatoren beziehen sich auf das Einkommen und sind nur mit großer Verzögerung erhältlich. Sie berücksichtigen keine stark steigenden Ausgaben. Auf Basis des relativen Armutskonzepts der EU waren 2021 1,5 Millionen Menschen in Österreich von Armut oder Ausgrenzung gefährdet, darunter 316.000 Kinder, zwei Drittel aller Langzeitarbeitslosen und ein Drittel aller Haushalte mit Alleinerziehenden.

Die Statistik Austria erhebt durch die Quartalsumfrage „So geht’s uns heute“ die subjektiven Einschätzungen zu Armut. Im zweiten Quartal 2023 gaben 1,2 Millionen Menschen an, dass sie in den nächsten drei Monaten Zahlungsschwierigkeiten bei Wohn- oder Energiekosten erwarten. Fast acht Prozent gaben an, dass sie sich nicht mindestens jeden zweiten Tag eine warme Hauptmahlzeit leisten konnten. Und 63 Prozent der arbeitslosen Personen können sich keine unerwarteten Ausgaben von 1.300 Euro leisten, 41 Prozent sich keine Kleinigkeit gönnen.

Herausfordernde Lohnrunde

Die Gewerkschaften kämpfen mit dem Problem, dass die Regierung zu wenig preissenkende Maßnahmen gesetzt hat. Weder wurde ein Gaspreisdeckel noch ein effektiver Mietpreisdeckel eingeführt. Die Arbeitgeber:innenseite argumentiert, dass die hohe Inflation im Vergleich zu anderen Ländern, die stärker auf temporäre Preiseingriffe gesetzt haben, die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte beeinträchtigt. Auch die Industrierezession belastet die Verhandlungen. Gleichzeitig ist klar, dass die Gewerkschaften nicht nur für einen Kaufkrafterhalt kämpfen, sondern für viele Menschen ein weiteres Abrutschen in die Armut verhindern müssen.

Arbeitskräfteknappheit nutzen

Ein strategischer Vorteil der Gewerkschaften ist die Verschiebung der Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt. Die beginnende Arbeitskräfteknappheit bedeutet, dass die Kapitalseite weniger auf Arbeitslosigkeit als Druckmittel greifen kann. Die Streikbereitschaft ist nach den Jahren der Krisen hoch. Die Arbeitskräfteknappheit bietet eine Chance auch für bessere Arbeitsbedingungen für Arbeitslose, benachteiligte Frauen am Arbeitsmarkt, Junge, Ältere und Menschen mit Behinderungen.

Im Kampf gegen die Teuerung braucht es aber mehr als nur höhere Löhne. Ein armutsfester Sozialstaat sollte ein Recht auf soziale Sicherheit bieten, statt Almosen zu verteilen. Dafür müssen Arbeitslosengeld und Ausgleichszulage über die Armutsgefährdungsschwelle erhöht werden. Und es braucht gezielte Preiseingriffe bei Mieten, Gas und Fernwärme sowie Lebensmitteln.

Eine stärkere Vermögensbesteuerung könnte einen Ausbau des Sozialstaats, eine kritische Infrastruktur der Daseinsvorsorge und öffentliche Klimainvestitionen mitfinanzieren und Ungleichheit reduzieren. Die Arbeitskräfteknappheit kann aber auch für das Recht auf gute Arbeit und eine längst überfällige Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich genutzt werden.

Daniel Witzani-Haim ist Referent der Arbeiterkammer Wien

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