(Un)faire Elektronik

Elektronik Markenfirmen geben sich ein modernes Image, aber eine von Südwind beauftragte Studie dokumentiert massive arbeitsrechtliche Probleme. Arbeiter:innen berichten von Repressionen gegen gewerkschaftlich aktive Personen.

IT-Unternehmen verlagern ihre Produktion systematisch in Länder mit niedrigen Arbeitsrechtsstandards um ihre Kosten zu reduzieren. Dadurch entstehen intransparente Lieferketten, die geprägt sind von ausbeuterischen Verhältnissen. Die Fertigung von Elektrogeräten findet nun zu großen Teilen in asiatischen Ländern statt.

Überstundenzwang

Electronics Watch gewann die Daten für die Studie aus Interviews mit Arbeiter:innen um so wichtige Einblicke in die Realität der Beschäftigten zu erhalten. Dabei fällt besonders auf, dass die Löhne weit unterhalb des Existenzminimums liegen. Beschäftigte berichteten von erzwungenen Überstunden sowie mangelhaftem Schutz vor giftigen Chemikalien. Arbeitszeiten von 70 Stunden pro Woche sind eher die Regel als die Ausnahme.

Schuldknechtschaft

Zugewanderte Arbeitnehmer:innen in Thailand und Taiwan berichten von hohen Gebühren für Vermittleragenturen. Sie werden dadurch hochverschuldet und arbeiten nach Abnahme von Reisedokumenten in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden.

In europäischen Produktionsländern wie Polen oder Tschechien werden auch oft ausländische Arbeiter:innen mit unsicherem Aufenthaltsstatus eingesetzt, die sich nur schwer gegen schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen können.

Fallbeispiel Philippinen

Die Philippinen zählen zu den wichtigsten Ländern in der Elektronikproduktion. Arbeiter:innen erhalten etwa sechs US-Dollar für acht Stunden Arbeit – zu wenig, um ihre Familie zu ernähren. Mitglieder von Gewerkschaften sind oft Repressionen ausgesetzt, erzählt Julius Carandang, Sekretär der Metal Workers Alliance of the Philippines. Carandang berichtet von Schikanen, unrechtmäßigen Verhaftungen und Morden an Gewerkschaftsfunktionären. Trotzdem erzielen organisierte Arbeiter:innen immer wieder Erfolge. So ist es gemeinsam gelungen, in den Betrieben während des Corona-Lockdowns einen bezahlten Pandemieurlaub durchzusetzen. Es zeigt sich, dass Arbeitsbedingungen dann verbessert werden können, wenn es gelingt, dass Arbeiter:innen sich organisieren und dies nicht durch Unternehmen und Staat unterdrückt wird.

Wichtiger Hebel

Ein großer Teil der Elektronik-Produktion wird von öffentlicher Hand eingekauft. Öffentliche Ausschreibungen, welche Beschaffungskriterien für die Einhaltung von Arbeitsrechten entlang der gesamten Lieferkette enthalten, hätten einen positiven Effekt. Es können so den Produktionsstätten seriöse Kontrollen und unabhängige Beschwerdemechanismen vorgeschrieben werden. Beinahe 1000 öffentliche Einrichtungen in Europa nutzen dafür Electronics Watch, die mit Arbeitsrechtsexpert:innen im Globalen Süden zusammenarbeiten. In Österreich warten wir noch darauf, dass die erste öffentliche Einrichtung sich auf diese Weise für faire Arbeits- bedingungen einsetzt.

Die Studie und Videointerviews sind auf der Website von Südwind abrufbar: https://suedwind.at/fel

René Schuster ist Kampagnenreferent bei Südwind und recherchiert zu Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten

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