Klassenkampf von oben

Anne Rieger über den Reallohnabbau für Metaller*innen

7,44 Prozent Lohnerhöhung genehmigten die Unternehmen den Metaller*innen als Ergebnis der Kollektivvertragsverhandlungen (KV-Verhandlungen). Bei elf Prozent aktueller Inflationsrate ein gewaltiger Reallohnverlust.

Tatsächlich sind die Preise noch weit höher getrieben worden. Wohnen und Energie sind um 20, Nahrungsmittel um 14 Prozent gestiegen. Gesteigert wird letzteres zusätzlich durch die „Shrinkflation“. Dabei wird bei gleicher Verpackungsgröße der Verpackungsinhalt geschrumpft (engl. shrink). Ein Beispiel ist Rama. Bei der Margarine wurde der Inhalt bei gleicher Verpackung von 500 auf 450 Gramm reduziert.

Ergebnis auf lange Sicht

Die Ist-Löhne und -Gehälter werden um 5,4 Prozent erhöht und zusätzlich um einen Fixbetrag von 75 Euro angehoben. Für die untersten Einkommen ist das ein Plus von 8,9 Prozent. Im Schnitt beträgt die Erhöhung 7,44 Prozent. Der Abschluss ist auf lange Sicht leider schlechter, als er auf den ersten Blick aussieht.

Die KV-Löhne steigen in den Grundstufen der Beschäftigungsgruppen um sieben Prozent. Da aber die Vorrückwerte gleich bleiben, schmelzen die sieben Prozent je mehr Berufsjahre man hat. Leiharbeiter*innen, Neueinsteiger*innen und bei Jobwechsel werden nur nach KV- und nicht nach Ist-Lohn eingestuft. Das bedeutet niedrigerer Lohn als die Stammbelegschaft – die Spaltung ist vorprogrammiert. Und die Steigerung der Lehrlingseinkommen wurde mit einem Dreijahres-Abschluss erkauft.

Die Kapital-Clique hat die Verhandler*innen und große Teile der Gewerkschaftsmitglieder mit dem unsäglichen Schmäh der sogenannten „rollierenden“ Inflationsrate eingefangen, der Durchschnitts-Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate. Sie beträgt 6,3 Prozent. Nur, was nützt mir die Inflationsrate von gestern, wenn ich heute für meinen Einkauf elf Prozent und mehr zusätzlich bezahlen muss? Effektiv ist der Inhalt meines Warenkorbs beim Wochenendeinkauf kleiner geworden.

Raubzug auf unsere Taschen

Die Inflation ist ein Raubzug auf unsere Taschen. Sie ist die langjährig bewährte Methode, Löhne abzuwerten und die Beschäftigten teilweise zu enteignen, die Spargroschen aufzufressen. Die Lohn-Preis-Spirale-Diskussion ist ihr traditioneller Begleiter. Es ist der täuschende Begriff, um die Erhöhung der Preise durch Erzeuger und Händler, durch Spekulanten, Aktionäre und andere Profiteure zu verschleiern.

Wenn man schon von einer Spirale reden mag, müsste man von einer Preis-Lohn-Spirale sprechen. Zuerst werden stets die Preise erhöht und von der Kapitalseite als Profite eingestrichen, dann gibt es einen schmalen Nachklapp bei den Löhnen. Denn Preise steigen nicht selbstständig, sowenig wie die Inflation explodiert. Teuerung ist kein Naturereignis.

Gewinn-Gewinn-Spirale

Warum steigen die Preise? Hat sich die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit für die Erzeugung von Lebensmitteln, Gas- oder Stromförderung erhöht? Inflationsursache Nummer eins ist die Erhöhung der Preise der fossilen Brennstoffe. Erdöl und Erdgas sind die wichtigsten Rohstoffe für Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Stromerzeugung. Der Wirtschaftswissenschaftler Klaus Müller zeichnet den ökonomischen Vorgang der Preistreiberei: „Die Preise sind originär; Preistreiber sind die Börsenspekulation, monopolistische Marktmacht, Profitstreben und Inflationserwartungen.

Kapitalistische Unternehmen setzen die Preise. Sie kalkulieren die Kosten nicht auf Basis der Einstandspreise, sondern zu den erwarteten höheren Wiederbeschaffungspreisen. So steigen die Preise nicht, weil die Kosten gestiegen sind, sondern die Kosten steigen, weil mit höheren Preisen gerechnet wird“. So wird eine Preiserhöhung durch die nächste getoppt.

Als Beispiele hier OMV und Voestalpine: OMV verdreifachte den Gewinn 2022 gegenüber dem dritten Quartal 2021 auf 3,3 Milliarden Euro. Voestalpine, stark von Energiepreisen abhängig, folgte mit einem Gewinnsprung von 47 Prozent im ersten Fiskalhalbjahr 2022/23 gegenüber der Vorjahresperiode auf 715 Millionen Euro. Während den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften Maßhalten gepredigt wird, hört man diese Mahnung gegenüber den frech agierenden Unternehmen nie.

Klassenkampf von unten

So steht die Gewinn-Gewinn-Spirale dem Reallohnabbau der Beschäftigten gegenüber. Ohne Kampf der Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften und der mit ihnen verbundenen Gesellschaftsteile um einen höheren Anteil an den von uns erarbeiteten Werten werden sich die Verhältnisse nicht ändern.

Höhere Primäreinkommen, direkt an der Quelle der Ausbeutung im Produktionsprozess durch zusetzen, muss unser gemeinsames Ziel sein. Darum, dass auch die erhöhte Arbeitsproduktivität abgegolten wird, dass der Anteil der Löhne am Volkseinkommen gehalten wird, damit zugleich die Finanzierung der Sozialstaatsausgaben sichern, muss – über alle Branchen hinweg – unser gemeinsames Ziel sein.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

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