Widerstand gegen die Schließung

Stefanie Breinlinger über den Konflikt um den MAN-Standort Steyr.

Die Volkswagen AG, Mutterkonzern von MAN, hat die Standortgarantie für das Werk in Steyr mit Hilfe einer Wirtschaftlichkeitsklausel vorzeitig aufgekündigt – es soll 2023 schließen. Noch im März leugnete der Konzern Schließungsabsichten und log den Betriebsrat schlicht an.

Vorangegangen sind jahrelang Zugeständnisse der Belegschaft, diese wurde vor der Schließung noch einmal gehörig ausgepresst: Der Betriebsrat stimmte zu, Pausen zu verkürzen und die Produktion und somit die Arbeitsdichte zu steigern, sodass die Arbeiter*innen pro Schicht ein, also pro Tag zwei LKW mehr ohne eigenen Vorteil produzieren. Geholfen hat die Anbiederung an das Management nichts.

Verfehlte wirtschaftliche Strategie und Managementversagen sind für die aktuelle Entscheidung der Chefetage verantwortlich. Eiskalt will der Konzern die gut laufende Produktion in billiger produzierende VW-Standorte in der Türkei und Polen verlagern. Ziel ist die Rendite zu steigern und die Aktionäre zu besänftigen. Trotz zwei Mio. Euro Forschungsförderung durch den Bund opfert VW mitten in der schärfsten Beschäftigungskrise seit Kriegsende tausende Beschäftigte zur Aufbesserung der Rendite. Die sozialen Kosten will der Porsche-Piech-Clan als VW-Haupteigentümer schamlos auf die Allgemeinheit abwälzen.

Der Schock in Steyr ist groß. Letztlich wären mindestens 6.000 Menschen in Steyr betroffen. Eine Schließung des seit hundert Jahren bestehenden und identitätsstiftenden Werks würde drastische Auswirkungen auf die Familien, Zuliefererbetriebe und Dienstleister wie Bäcker, Reinigungsfirmen etc. nach sich ziehen. MAN würde nicht nur als wichtiger Arbeitgeber in der Region und im angrenzenden Niederösterreich, sondern auch als Ausbildungsstätte wegfallen.

Massiver Protest

Entsprechend kraftvoll fiel der von Betriebsrat und Gewerkschaft organisierte Warnstreik am 15. Oktober 2020 aus. Der imposante Demo-Zug der Belegschaft vom Werk in die Stadt beherrschte die Straßen und baute eine tosende Lärmkulisse auf. 4.000 kampfbereite Beschäftigte und mit MAN solidarische Menschen versammelten sich am Stadtplatz von Steyr. Die Stimmung, erfüllt von Wut und Betroffenheit, aber auch Entschlossenheit, fand Ausdruck in den Reden von Betriebsrat und Vertretern der PRO-GE.

Seit dem Streik wurde es wieder recht ruhig um die Sache. Aber Mitte November brachen Betriebsrat und IG-Metall die Verhandlungen mit dem Management von VW ab. Der nächste Arbeitskampf könnte also bereits wieder bevorstehen.

Die Schließungspläne betreffen neben Steyr zwei Werke in Plauen (Sachsen) und Wittlich (Rheinland-Pfalz), insgesamt sollen 9.500 Arbeitsplätze vernichtet werden. Solidarisches Handeln mit anderen bedrohten Standorten wäre nun überlebenswichtig. Entlang der fragmentierten und komplexen Wertschöpfungsketten mit Zulieferern und Subfirmen, mit Standorten in verschiedenen Ländern, wie sie in der Autoindustrie besonders ausgeprägt sind, ist es natürlich besonders schwer, die Belegschaft gewerkschaftlich zu organisieren.

Transnationales Organizing

Hier wäre es entscheidend, die Beschäftigten standortübergreifend und von der Basis aus zu organisieren, um damit die brutale Lohnkonkurrenz zu entkräften. Die Just-in-Time-Produktion ist eine Schwachstelle im Produktionsprozess und damit auch ein schneller Angriffspunkt für Arbeitsniederlegungen. Die deutsche IG-Metall sammelte bereits Erfahrungen mit Pilotprojekten im transnationalem Organizing in der Autoindustrie.

Freilich befand sich die Autoindustrie bereits lange vor Corona in einer tiefen strukturellen Krise mit massiven Absatzproblemen. Um diese langfristig zu lösen ist eine sozial und ökologisch nachhaltige industriepolitische Planung und Umstrukturierung unausweichlich. Angesichts der Klimakrise ist die Reduktion des LKW-Güterverkehrs, eine entsprechende Umstrukturierung der Produktion – auch abseits von Elektro-LKWs – notwendig. Dies kann jedoch nur mit einer staatlichen Wirtschaftsplanung gelingen.

SPÖ betrieb Ausverkauf

Jeglichen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Gestaltungsspielraum gab die von Vranitzky geführte Regierung bereits in den späten 1980er Jahren auf, als sie den Ausverkauf der österreichischen Industrie betrieb. Damals wurde federführend unter SPÖ-Minister Rudolf Streicher die Steyr-Daimler-Puch AG zerschlagen, privatisiert und die Nutzfahrzeuge-Sparte 1990 an MAN verkauft. Auch vor ziemlich genau 30 Jahren gingen die Steyr-Beschäftigten in den Ausstand, der einwöchige Streik im Jänner 1990 konnte den Verkauf jedoch nicht abwenden.

Die heute von MAN-Steyr-Betriebsrat und Gewerkschaft offensichtlich favorisierte Lösung, jedenfalls eine Einigung mit dem VW-Konzern erzielen und ausschließlich auf LKW-Bau setzen zu wollen, schränkt ihre Verhandlungsposition und Zukunftsperspektive ein. Der Ernst der Lage erfordert es, andere tragfähige Modelle wie Staatsbeteiligung mit echter Mitbestimmung, Verstaatlichung, bis hin zu Formen der Arbeiter*innen-Kontrolle in den Blick zu nehmen.

Stefanie Breinlinger ist Sozialarbeiterin beim FAB Linz und Landesvorsitzende des GLB-Oberösterreich

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