Konträre Entscheidungen

Der US-Verfassungsgerichtshof kippte Ende Juni das Grundrecht auf Schwangerschaftsabbruch. Ein fast 50 Jahre lang gültiges verfassungsmäßig erklärtes Recht wurde gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung zurückgenommen.

Konservativ regierte US-Bundesstaaten setzten sofort Abtreibungsverbote in Kraft. Liberal regierte Staaten wollen bisherige Gesetze beibehalten. Das setzt eine Spirale des Ausweichens von Frauen mit ungewollten Schwangerschaften aus reaktionären in liberale Bundesstaaten in Gang. Vorausgesetzt, sie können sich die Reisekosten leisten. Zu befürchten ist, dass vermehrt Abbrüche in der Illegalität ohne ausreichende Versorgung vorgenommen werden und Frauen gesundheitlichen Schaden erleiden.

Das von einer Linkskoalition regierte Spanien gilt hingegen als das progressivste in Sachen Gleichstellungspolitik. Mögen Reaktionäre in aller Herren Länder an Frauenrechten sägen, Spanien macht den Umkehrschwung. Ein neues Gesetz ermöglicht Minderjährigen ohne Zustimmung der Eltern einen Schwangerschaftsabbruch, bietet den Eingriff kostenlos in einem Krankenhaus an und sieht auch eine Krankschreibung bei Menstruationsbeschwerden vor.

Die Politikwissenschaftlerin Judith Götz erklärt diesen Feminismus-Schub so: Eine Regierung, in der sich auch Männer zum Feminismus bekennen, eine mobilisierungsstarke Frauenbewegung und die Tradition einer widerständigen Protestkultur. Für soziale Rechte zu Massen auf die Straße zu gehen oder zu streiken, gilt als Voraussetzung für den Fortschritt, den man nicht an Regierende delegieren will.

Kurzum es kann nicht schaden, angesichts der Lage ein Auge dorthin zu werfen, wo die Erkenntnis der Internationalen: „Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selbst tun“ lebendig ist und mit Fortschritt belohnt wird.

Gerlinde Grünn

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