Missbrauch der Empörung

Wir sind empört, verzweifelt über den Krieg in der Ukraine. Wir wollen ihn sofort beenden fühlen uns aber ohnmächtig. Die Hilfsbereitschaft für flüchtende Menschen ist groß. Wir wollen etwas tun. Trauer und Empörung Ausdruck verleihen. Da greifen die Herrschenden brutal ein, missbrauchen unsere Empörung und forcieren einen Kurswechsel: Mehr Steuergeld für Aufrüstung!

Deutschland geht voran – jährlich „mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ für Rüstung und Militär und das sogar in der Verfassung verankern. Laut Statista belief sich das deutsche Bruttosozialprodukt 2021 auf 3.570 Mrd. Euro. Somit würde sich der Militärhaushalt von 46,9 auf 71,4 Mrd. Euro erhöhen.

Das ist Kanzler Scholz und den Rüstungskonzernen nicht genug. Scholz will 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ zusätzlich zum Rüstungshaushalt. Angeblich sei die deutsche Bundeswehr schlecht ausgerüstet, da sie „unterfinanziert“ sei. Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat postwendend Waffen für 42 Mrd. Euro „angeboten“, unter anderem Munition, Hubschrauber, Ketten- und Radpanzer. Auch 35 Tarnkappenflugzeuge der Marke F-35 stehen auf der Kaufliste.

Warum nicht ein „Sondervermögen“ von 100 Mrd. Euro zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut, für Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser, Betreuung und Pflege, Alterssicherung von Geringverdiener*innen, öffentlichen Wohnungsbau, Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes mehr Geld für das Rentensystem, besonders aber für die Umwelt oder das Welternährungsprogramm?

Stattdessen wurden schon mal vorab 500 „Stinger“-Raketen, tausend Panzerfäuste und 2.700 Luftabwehrraketen aus NVA-Beständen von Deutschland in ein Kriegsgebiet exportiert, das andere bereits beliefert hatten. Dabei schadet der Umwelt, der Natur und dem Klima nichts mehr als das Militär. Das reicht schon im Frieden von einem riesigen Energie- und Landverbrauch über Manöverschäden bis zum Tieffluglärm von Militärflugzeugen.

Österreich mit dabei

In Österreich ist alles eine Nummer kleiner, aber im Kern ähnlich: Regierung und Opposition wollen das Verteidigungsbudget erhöhen, ein Kurswechsel auch hier. Kanzler Nehammer verkündete die Verteidigungsausgaben zu erhöhen: „Was wir derzeit erreichen müssen, sind mindestens ein Prozent des BIP“. Für seinen Aufrüstungssager wählte er die „Süddeutschen Zeitung“ – vermutlich um der deutschen Regierung seine Gefolgschaft unmittelbar mitzuteilen.

Aktuell betragen die Österreichs Verteidigungsausgaben 0,62 Prozent des BIP. Ein Prozent des BIP bedeutet dann eine Erhöhung von 2,7 auf 4,4 Mrd., so der ORF. Fürs Welternährungsprogramm dagegen wurden 2021 magere 14,5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Die Steigerung des Armee-Budgets ist so hoch wie die gesamten Ausgaben für Pflegegeld 2021.

Ermutigt durch den Kanzler-Vorstoß denkt das Bundesheer umgehend über die Eurofighter-Aufrüstung nach. Konkret geht es um die Nachtsicht- bzw. Identifizierungsfähigkeit, den elektronischen Selbstschutz und die fehlende Hauptbewaffnung mit radargelenkten Lenkwaffen.

Nicht nachvollziehbar ist, warum das neutrale Österreich eine beinahe Verdoppelung der Militärausgaben braucht. Es kam auch bisher gut ohne Stryker-Helme für 500.000 Euro pro Stück oder amerikanische Allwetter- Radarlenkwaffen aus. Oder will es in den Krieg in der Ukraine eingreifen? Soll damit der Krieg abgewendet werden?

Noch mehr Waffen beenden den Krieg nicht. Die NATO gibt bisher schon etwa eine Billion US-Dollar jährlich fürs Militär aus. Damit konnte sie den Krieg nicht verhindern – vermutlich hat sie ihn damit befördert. Wir brauchen keine Kriegswaffen, sondern Frieden und Geld für Pflege, Bildung, das Gesundheitssystem, für bezahlbares Wohnen für Klima- und Umweltschutz.

Friedensfazilität für Rüstung

Auch die Friedensnobelpreisträgerin EU sendet eine Milliarde für Waffen und Ausrüstung in das Krisengebiet Ukraine. Das neutrale Österreich ermöglichte den Beschluss durch die in den EU-Verträgen vorgesehene Möglichkeit der „konstruktiven Enthaltung“. Nun zahlen auch wir mit unsern Steuergeldern mit. Denn im vergangenen Jahr hat der Europäische Rat – mit Zustimmung des österreichischen Außenministers – die „Friedensfazilität“ beschlossen. Mit den darin zur Verfügung stehenden 5,7 Mrd. Euro können Waffen in Drittländer exportiert werden.

Der EU-Vertrag verbietet Ausgaben für Militäreinsätze oder Waffenlieferungen aus dem EU-Haushalt zu bestreiten. Deshalb ist die „Friedensfazilität“ als Schattenhaushalt konzipiert worden. Er wird mit Beiträgen der Mitgliedsländer (außer Dänemark) nach dem üblichen Schlüssel befüllt und ist parlamentarischer Kontrolle entzogen. Statt Möglichkeiten der Deeskalation auszuloten wird mit der Aufrüstung eskaliert. Das ist nicht in unserem Interesse. Daher: Die Waffen nieder!

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

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