Kampf um Arbeitszeitverkürzung

Anne Rieger über die Kollektivvertragsverhandlungen 2020.

Die KV-Abschlüsse für Metall, Handel und Sozialwirtschaft (SWÖ) sind Beispiele für die Nichteinbeziehung von Mitgliedern, zeigen das Demokratiedefizit in den Gewerkschaften. Der Kampf der 125.000 SWÖ-Beschäftigten für Arbeitszeitverkürzung ließ uns jedoch erahnen, was möglich ist, wenn Beschäftigte für ihre Interessen kämpfen.

Menschen wollen Arbeitszeitverkürzung

Die Forderung „35 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich“ hatte entgegen veröffentlichter Meinung schnell die Sympathie in Branche, Gesellschaft und Medien. Dadurch befeuert kam es im Februar in 300 Einrichtungen zu Warnstreiks, Aktionen und einer Demo mit 3.000 Beschäftigten.

Es gab eine Streikversammlung vor dem Sozialministerium, Beschäftigte machten mit selbst gebastelten Schildern auf ihr Anliegen aufmerksam. Die Forderung löste geradezu Begeisterung aus. Die Menschen zeigten sich solidarisch und zogen mit durch die Straßen.

Als aber an der Basis die Streikbereitschaft Fahrt aufgenommen hatte, wurde die Bewegung abgewürgt. Geplante Demos in Wien, Linz und Graz wurden wegen der schwarz-grünen Corona-Maßnahmen abgesagt, Verhandlungsräume geschlossen, Gesprächstermine gestrichen.

Die Maßnahmen der Regierung verhinderten die Ausweitung der Kämpfe und weiteres Durchhalten. Mit dem Schüren der Angst um die Gesundheit wurde dem Mut der Beschäftigten die Spitze abgebrochen.

Gewerkschaftsvertreter*innen und Unternehmer verlegten den Diskurs in die digitale Welt. Die Arbeitgeber legten einen Dreijahresabschluss mit 2,7 Prozent rückwirkend ab Februar vor, 0,6 Prozent über der Inflationsrate für 2021und eine Stunde Arbeitszeitverkürzung ohne Lohn- und ohne Personalausgleich ab 2022.

Das große Verhandlungsteam hatte im Lockdown genau 1,5 Tage Zeit, um per E-Mail abzustimmen. So überrumpelt stimmten 40 dafür, 13 dagegen, ein Viertel war nicht einverstanden.

Eine Meinungsbildung unter den Beschäftigten war nicht möglich – vielleicht auch nicht gewollt? Die AUA (Lufthansa) erhielt 150 Mio. Euro Förderung plus 300 Millionen Kredit, zu 90 Prozent von den Steuerzahler*innen garantiert. Wieviel gab die Regierung für höhere Löhne im SWÖ- Bereich? Eine Aufstockung von Personal, Geräten und Betten gab es auch nicht.

Fakt im Geschichtsbuch der österreichischen Arbeiter*innenklasse

Das Ergebnis war zwar mehr als nichts – aber kein Erfolg. Entscheiden war der Kampf um eine dreistündige Arbeitszeitverkürzung und dass öffentlich wurde, dass viele Menschen ihn mit Sympathie begleiteten – auch, weil sie selbst eine Arbeitszeitverkürzung brauchen. Ein Fakt im Geschichtsbuch der österreichischen Arbeiterklasse, der nicht vergessen werden darf.

Flexikonten statt Arbeitszeitverkürzung bei den Metallern

Den Vogel bei der Nichtbeteiligung schoss die Metaller*innenspitze ab. Bereits am Tag der Forderungsübergabe einigte sich die Spitze der Produktionsgewerkschaft mit den Unternehmern auf einen Inflationsausgleich von 1,45 Prozent und die Verlängerung der Minusstunden von 120 auf 180 Stunden bis Ende 2023.

Gab es Zustimmung aus den Belegschaften für die Erhöhung der Minusstunden, mehr als jemand im Monat arbeitet? Wäre nicht auch hier Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu diskutieren, wo doch schon vor Corona Firmen kurzarbeiten ließen und nun in großem Umfang den Beschäftigte ihre Jobs gestrichen werden (MAN, ATB, Swarovski etc.), über 400.000 arbeitslos, und Hunderttausende in Kurzarbeit sind.

Der Chefökonom der Industriellenvereinigung gibt mit dem Rationalisierungseffekt des Lockdowns an: „Mit der Hälfte der Belegschaft sind 84 Prozent der Leistung erzielbar“. Warum musste dann die Lohnerhöhung so niedrig ausfallen? In den letzten zwei Jahrzehnten ist laut OECD eine Arbeitsstunde in Österreich um 26 Prozent produktiver geworden.

Die Arbeitskosten (Bruttolöhne und Sozialbeiträge) sind preisbereinigt aber nur um 15 Prozent gestiegen. Fast die Hälfte des Produktivitätsanstiegs verblieb also den Unternehmen. Manche zahlten sogar in der Krise Boni und Dividende aus, passend zu Überschriften wie: „Vermögen der Milliardäre erreichen in der Coronakrise Rekorde“.

Held*innen von Corona

Die Spitzenvertreter der 400.000 Handelsangestellten folgten dem Negativbeispiel. Nur wenige Stunden nach Verhandlungsbeginn stimmten sie mageren 1,5 Prozent Lohnabschluss zu. Das hatten sich die Systemerhalter*innen vermutlich anders vorgestellt. Auch sie wurden zum Abschluss nicht gefragt.

Das Kapital verschweigt die Gewinne vieler Branchen und nutzt die Verunsicherung der Menschen, um sie auf Verzicht und Zurückhaltung einzustimmen.

Wer wird die Kosten der Wirtschaftskrise bezahlen, die schon vor Corona begann? Ziel des Kapitals ist die Desorganisation gewerkschaftlicher Kampfkraft, um die Krise zum Abbau erkämpfter Rechte zu nutzen.

Was tun?

Ohne Beschäftigte läuft nichts: Nicht Konzerne und Aktionär*innen sind systemrelevant, sondern Menschen, die den Laden am Laufen halten. Evi Kofler, GLB-Aktivistin im Gesundheitsbereich: „Es ist unerlässlich, weiterzukämpfen und sich noch verstärkt für die notwendigen und überfälligen Veränderungen einzusetzen. Denn eigentlich sind 30 Stunden genug und dafür werden wir weiterkämpfen.“

Anne Rieger ist Mitglied im GLB-Landesvorstand Steiermark und erweiterten Bundesvorstand des GLB

Foto: links-wien.at

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